Kurilisches KLima.

Um echte Tundra zu sehen, muss man anscheinend gar nicht in den hohen Norden (oder tiefen Süden – zum Beispiel nach Tierra del Fuego) reisen; denn etwas sehr Ähnliches kann auch in absolut moderateren Breiten gefunden werden. Zum Beispiel auf den Kurilen.

Kuril islands

Hier auf den Kurilen hat sich Mutter Natur anscheinend einen freien Tag genommen, als letzte Hand an das Klima angelegt wurde. Auf der einen Seite der Inselgruppe liegt der kalte Pazifik, auf der anderen Seite das bitterkalte Ochotskische Meer. Wenn der Wind von Süden her bläst, kann es warm und schwül sein; wenn er von Norden her kommt, überzieht eine sibirische Kälte das Land. Es ist also alles etwas durcheinander. Aber im Winter ist es hier generell immer sehr kalt – mit hüfthohem Schnee; während es im Sommer nur mittelmäßig kalt ist – aber immer mit hoher Luftfeuchtigkeit, plus Nebel, plus nieselnd, plus Regen.

Man sagt, dass sich die Sommersonne hier in den letzten Jahren nur fünfmal im Jahr gezeigt hat! Und das merkt man an der Vegetation: Moos, Gras, an manchen Stellen Zwergkiefer und in Sümpfen große Mengen rosafarbener, fleischfressender Sonnentau. Bäume wachsen nur auf den südlichen Kurilen – auf Iturup, Schikotan und Kunaschir. Es heißt, dass auch auf Urup Bäume wachsen, allerdings habe ich dort keine gesehen.

Kurz gesagt, wir wurden hier von einem rauen, nördlichen Klima empfangen.

@e_kaspersky über das Klima auf den Kurilen – gleiche Höhe wie Mailand & Seattle.Tweet

Wikipedia schreibt über das Klima der Kurilen, es sei wie im „hohen Norden“. Aber die Kurilen liegen bei etwa 45-50 Grad nördlicher Breite! Das ist südlicher als Städte wie Moskau, Berlin und London; und sie liegen ungefähr auf der gleichen Höhe wie Wien, Mailand, München, Paris, Vancouver und Seattle. Sehen Sie, ich sagte ja, dass das ein Durcheinander ist…

„Wir haben hier gutes Wetter, aber das Klima ist rau“, sagen die Einheimischen.

Sie sagen auch „Du wirst wissen, wie das Wetter morgen wird, wenn Übermorgen kommt.“.

Mehr lokale Weisheiten:

„Trunkenheit ist ein Kampf! Und vor einem Kampf… braucht man einen Drink!“

In unserem Reisetagebuch findet sich der folgende Eintrag: „Am siebten Tag der Expedition haben wir einen SONNENUNTERGANG gesehen“ (in Großbuchstaben). Die Erklärung für die Großbuchstaben:

Kuril islands

Kuril islands

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Sonnenuntergänge auf den Kurilen – außergewöhnlich Tweet

Wir bewegten uns langsam über nasses Gras, Sümpfe, Zwergkiefern – im Regen, durch Nebel und starken Wind von Insel zu Insel: Paramuschir, Onekotan, Matuaund Rasschua.

Am unvergesslichsten war wahrscheinlich der Ausflug auf den Vulkan Ebekoauf Paramuschir.

Auf dem Gipfel des Vulkans regnete es wie aus Kübeln und es stürmte wie bei einem Hurrikan (das war der Tag, an dem wir die Ice Bucket Challenge von Mutter Natur angenommen haben). Dennoch war die Aussicht von dort einfach toll. Wir bestiegen diesen Vulkan an unserem ersten Tag auf den Kurilen; ich denke, deshalb ist er so unvergesslich. Es war ein Schock für uns: Frühstück in Moskau, anschließend rauf auf einen weit entfernten Vulkan, und dann das Abendessen bereits am nächsten Tag :).

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Im Süden von Paramuschir steht ein ungenutzter Leuchtturm. Die Einheimischen beschweren sich, dass die Behörden nichts für dessen Erhaltung tun. Aber auf der anderen Seite, wurden die Leuchttürme entlang der Küste schon vor langer Zeit in Pension geschickt. Denn alle Schiffe verwenden heute Satellitennavigation und Autopiloten. Leider dienen die alten und oft sehr schönen Leuchttürme deshalb nur noch als Dekoration für die hügeligen Landschaften hier. Sie ziehen Touristen an oder bleiben ihrem verrottenden Schicksal überlassen. Schon ein bisschen traurig.

Kuril islands

Kuril islands

Matuawar im Zweiten Weltkrieg eine japanische Militärbasis; in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war hier dann eine sowjetische Basis. Heute ist die Insel unbewohnt, genau wie die Militärbasen, die immer noch stehen – als Denkmäler der versuchten Kolinsierung der Inseln. Aus irgendeinem Grund liegen und stehen hier auch eine Menge Stahlfässer herum – Hunderte davon, einfach so weggeschmissen. Hässlich.

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Alte Militärbasis auf Matua: hässlich.Tweet

Kommen wir nach Rasschua.

Ein entspannender Spaziergang über zwei Hügel – die die Namen Hammer und Sichel tragen – wurde uns von unseren Reiseführern versprochen. Allerdings stellte sich heraus, dass sie selbst bisher weder auf dem Hammer noch auf der Sichel waren. Daher wussten sie nicht, dass die Straße dort nur auf dem Papier existiert. Daher mussten wir zehn Kilometer weit alle möglichen Arten von Unterholz überqueren, manchmal ging es durch Gras, das höher stand als die größten von uns waren. Es ging durch Schluchten, über Flüsse und Sümpfe, und all das unter konstantem, sintflutartigem Regen. So verlief also unser entspannender Tag. Melancholisch.

 

Kuril islands

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Aber anschließend wurde es leichter…

Sogar die Sonne kam heraus – meist so um 14 Uhr, aber nicht für lange. Dann wurde es wieder trüb und regnerisch. Manchmal war die Sonne sogar für ein Drittel oder den halben Tag zu sehen. Einmal haben wir die Wolkendecke durchbrochen, als wir auf den Atsonupuri wanderten. Auf der ganzen Reise hatten wir nur einen (1!) wirklich komplett sonnigen Vormittag – auf Charimkotan.

Kuril islands

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Aber sogar auf Charimkotan war der Nachmittag dann wieder düster und trostlos und feucht.

Kuril islands

Kuril islandsBestandsaufnahme auf kurilische Art

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Während wir noch auf Charimkotan waren, haben wir nicht nur ein verlassenes Dorf besucht und die schöne Umgebung betrachtet, sondern einige von uns haben eine ganze Menge Beeren gepflückt und gegessen (davon gab es Zillionen). Und dann kam die Suche nach alten, japanischen Glas-Signalflößen…

…Vor der Erfindung von Plastik verwendeten die Japaner entweder Holz oder hohles Glas für Flöße. Und heute gibt es die Glasflöße im Gegensatz zu den Holzversionen (die einfach verrottet sind) immer noch. Immer wieder mal tauchen welche auf und werden an die Küsten gespült.

Es gibt Sammler, die solche Flöße kaufen und verkaufen, und es gibt sogar sepezielle Kataloge dafür. Und ein paar alte Fischer nutzen sie immer noch, auch wenn deren Signalgeber heute nicht mehr funktionieren!

Kuril islands

Nachdem wir von diesen kuriosen Glasobjekten hörten, gingen wir an den Küsten von Charimkotan auf die Jagd danach. Und wir haben welche gefunden – sogar einige; leider keine, die jemals in einem Sammlerkatalog aufgeführt werden.

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All die anderen Vormittage waren immer gleich – unfreundlich und neblig. Manchmal sogar so neblig, dass man vom Schiff nicht einmal die Küste sehen konnte. Dann kletterten wir mit wasserdichter Kleidung in ein kleines Motorboot um an die Küste zu fahren. Das Schiff verschwand hinter uns, und um uns herum waren nur unheimlicher Nebel (die Sicht lag bei 100-200 Metern), das Rauschen der Wellen und das Röhren des Motors. Gruslig.

Kuril islands

Nach den letzten Absätzen verstehen Sie wahrscheinlich, warum hier niemand lebt :).

Und wenn ich gerade von Einheimischen spreche – oder besser, dem Nichtvorhandensein von Einheimischen –, muss man dazusagen, dass die Gesamtbevölkerung der kurilischen Inseln bei etwa 20.000 liegt. Viel Inseln sind unbewohnt: keine Strände, keine Palmen, keine Pina Coladas. Und das alles auf ungefähr der gleichen Höhe wie das sonnige Kroatien! Die wenigen bevölkerten Teil sind dazwischen verstreut. Nur drei haben, mit etwas Fantasie, Stadt-Status: Sewero-Kurilsk (auf Paramuschir, 2.500 Einwohner), Kurilsk (auf Iturup, 1.750 Köpfe) und Juschno-Kurilsk (auf Kunaschir, 7.000 Seelen).

Schnell wurde klar, dass die Apartementhäuser und öffentlichen Gebäude renoviert und die Straßen neu geteert oder betoniert werden – nur halt sehr langsam. Dadurch hat man den Eindruck, dass die Einwohner der Kurilen schön und optimistisch leben. Ich bin sicher, andere Menschen würden hier keine Woche überleben :).

Kuril islands

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Siedlungen auf den Kurilen – schläfrig.Tweet

Sewero-Kurilsk ist leider für den Tsunami bekannt, der hier im Jahr 1952 wütete. Eine dreifache Welle verwüstete die Stadt und über 2.000 Einwohner (von insgesamt 6.000) starben bei dem Unglück. Auch eine unbekannte Zahl Soldaten kam ums Leben. Die Naturkatastrophe wurde damals geheim gehalten (oh, diese Sowjets). Dann wurde die Stadt komplett neu aufgebaut – aber in sicherer Distanz zur Küste. Die alte Stadt gibt es noch, nur ist sie verlassen und verfallen, mit überschwemmten Straßen. Der Hafen blieb an seiner bisherigen Stelle; ein weiteres entmutigendes Spektakel :(.

Kuril islands

Aber beenden wir diesen Artikel mit etwas erfreulicherem…

Die Einheimischen sagten uns, dass wir mit dem Wetter Glück hatten. Es hätte viel schlechter sein können. Erst vor einem Monat war das Wetter so schlecht, dass wir laufend mit den Elementen zu kämpfen gehabt hätten. Es scheint, als wären uns die Götter wieder einmal gnädig gestimmt gewesen :).

Die restlichen Fotos gibt’s hier.

 

 

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