Letztes Frühjahr (2015) haben wir Duqu 2.0 aufgedeckt — einen hochprofessionellen, sehr teureren Cyberspionage-Einsatz. Wahrscheinlich staatlich unterstützt. Wir sind auf den Einsatz aufmerksam geworden, als wir eine Betaversion von Kaspersky Anti Targeted Attack (KATA) getestet haben — unsere Sicherheitslösung, die vor komplexen gezielten Angriffen wie Duqu 2.0 schützt.
Und jetzt, ein Jahr später, kann ich stolz ausrufen: Hurra! Das Produkt ist nun offiziell veröffentlicht und voll einsatzbereit!
Aber lassen Sie mich zunächst einmal einen Schritt zurückgehen, um Ihnen zu erklären, wie es so weit gekommen ist — wieso wir es jetzt mit staatlich unterstützter Cyberspionage zu tun haben und warum wir einen sehr spezifischen Schutz entwickeln mussten.
(Diejenigen, die lieber direkt zum Punkt kommen wollen, können die Einleitung über diesen Link abkürzen.)
So oft wird von der „guten alten Zeit“ gesprochen — gerade so, als wären in der Vergangenheit keine schlechten Dinge passiert. Die Musik war besser, die Gesellschaft gerechter, die Straßen sicherer, das Bier hatte eine schönere Schaumkrone und so weiter und so fort. In Bezug auf manche Dinge war es früher allerdings wirklich besser; ein Beispiel ist, dass es in vergangenen Jahren relativ einfach war, Cyberplagen zu bekämpfen.
Damals habe ich das natürlich nicht so gesehen. Wir haben 25 Stunden am Tag gearbeitet, 8 Tage die Woche, und die Virenschreiber und ihre beeindruckende Vermehrungsrate verflucht. Jeden Monat (und mitunter häufiger) gab es weltweite Wurmepidemien und wir dachten die ganze Zeit über, dass die Situation wohl kaum viel schlechter werden kann. Wie wir uns geirrt haben…!
Anfang dieses Jahrhunderts wurden Viren noch vorwiegend von Studenten und Cyberrowdys geschrieben. Diese hatten weder die Absicht, noch die Fähigkeiten, ernstzunehmende Malware zu entwickeln, so dass die Epidemien, für die sie verantwortlich waren, oftmals mit proaktiven Methoden, binnen weniger Tage ausgelöscht wurden. Sie hatten schlichtweg keine Motivation, um tatsächlich bedenkliche Malware auszutüfteln; sie haben nur zum Spaß Schadprogramme geschrieben, wenn DOOM und Duke Nukem anfingen, sie zu langweilen J.
Mitte der 2000er Jahre kamen auf einmal große Geldsummen im Internet ins Spiel und neue Technologien, über die sich alles vernetzen ließ, von MP3-Playern bis hin zu Atomkraftwerken. Professionelle cyberkriminelle Gruppierungen traten in Erscheinung und machten Jagd auf das große Geld, das im Internet zu holen ist, während Cybergeheimdienste von den technologischen Möglichkeiten angezogen wurden. Diese Gruppen hatten die Motivation, die Mittel und das Know-how, um hochkomplexe Malware zu entwickeln, ausgefeilte Angriffe auszuführen und dabei nicht auf dem Radar erfasst zu werden.
Etwa um diese Zeit herum „starb die Antivirensoftware“: traditionelle Schutzmethoden konnten keine ausreichende Sicherheit mehr bieten. Es begann ein regelrechtes Cyberwettrüsten — eine moderne Interpretation des ewigen Modells der auf Gewalt basierenden Macht — entweder man greift an oder man verteidigt sich. Cyberattacken wurden selektiver/zielgenauer in Bezug auf die gewählten Angriffsziele, diskreter und weitaus fortgeschrittener.
„Grundlegende“ Antivirensoftware, (die zu diesem Zeitpunkt schon weitaus mehr als nur Antivirensoftware war), war inzwischen zu komplexen Mehrkomponentensystemen weiterentwickelt worden, mit mehrstufigen Sicherheitsmechanismen und vollgepackt mit verschiedenen Schutztechnologien, während fortgeschrittene Firmensicherheitssysteme noch eindrucksvollere Waffenlager zur Zugangskontrolle und zur Erkennung von Eingriffen aufgebaut hatten.
Allerdings hatte diese Herangehensweise, obgleich sie oberflächlich betrachtet sehr eindrucksvoll erschien, einen kleinen aber entscheidenden Nachteil für große Unternehmen: das Verfahren war nicht in der Lage, proaktiv die professionellsten gezielten Angriffe zu erkennen — die einzigartige Malware nutzen, in Zusammenhang mit spezifischem Social Engineering und Zero-Days. Malware, die sich vor Sicherheitstechnologien versteckt halten kann.
Ich spreche von Attacken, die sorgfältig über Monate, wenn nicht Jahre hinweg von Topexperten geplant wurden, mit schier unerschöpflichen Budgets und zum Teil sogar mit staatlicher Förderung. Angriffe wie diese können mitunter jahrelang unerkannt bleiben; der Einsatz der Equation Group beispielsweise, den wir 2014 aufgedeckt haben, hatte seine Anfänge bereits 1996!
Banken, Regierungen, kritische Infrastrukturen, Hersteller — Zehntausende große Organisationen unterschiedlicher Bereiche und mit unterschiedlichen Besitzformen (im Grunde die Basis der heutigen Weltwirtschaft und -ordnung) — es hat sich gezeigt, dass sie alle anfällig sind für diese extrem professionellen Bedrohungen. Und die Nachfrage nach Daten, Geld und geistigem Eigentum des Angriffsziels ist groß und steigt kontinuierlich weiter an.
Was also ist zu tun? Sollen wir diese modernen Extremgefährdungen als unvermeidlichen Teil des modernen Lebens akzeptieren? Den Kampf gegen gezielte Angriffe aufgeben?
Nein, ganz und gar nicht!
Alles, was — auf wie auch immer komplexe Art und Weise — angegriffen werden kann, kann zu einem hohen Grad geschützt werden, wenn eine ernstzunehmende Menge an Zeit und Verstand investiert wird. Es wird nie zu 100% sicheren Schutz geben, aber eben maximalen Schutz, der verhindert, dass Angriffe ausgeführt werden können: Hindernisse, die so beeindruckend sind, dass die Angreifer sich dafür entscheiden, keine weiteren Anstrengungen mehr zu unternehmen und stattdessen ein anderes, weniger gut geschütztes Opfer angreifen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, insbesondere wenn es um politisch motivierte Angriffe auf bestimmte Personen geht. Solche Attacken werden hartnäckig bis zum bitteren Ende durchgezogen — einem siegreichen Ende für den Angreifer. Aber das ist kein Grund, den Kampf gar nicht erst aufzunehmen.
Ok, so viel zum geschichtlichen Kontext. Nun zum wichtigsten Teil: dem Hausmittel gegen fortgeschrittene gezielte Attacken — unsere neue Plattform Kaspersky Anti Targeted Attack (KATA).
Was genau ist KATA, wie funktioniert es, und wie viel kostet es?
Zunächst einmal zur grundlegenden Struktur einer gezielten Attacke…
Ein gezielter Angriff ist immer einzigartig: maßgefertigt für eine bestimmte Organisation oder Einzelperson.
Die Kriminellen, die hinter einem gezielten Angriff stehen, beginnen damit, gewissenhaft bis ins kleinste Detail alle Informationen zu ihren Angriffszielen zusammenzusuchen, da eine gründliche Vorarbeit fast genauso entscheidend für den Erfolg eines Angriffs ist, wie das verfügbare Budget. Alle Einzelpersonen, die sie ins Visier nehmen, werden ausspioniert und analysiert: Lifestyle, Familie, Hobbies und so weiter. Auch die Unternehmensstruktur wird gründlich untersucht. Anhand dieser Informationen wird schließlich eine Angriffsstrategie ausgewählt.
Als nächstes (i) dringen die Angreifer in das Netzwerk ein und verschaffen sich aus der Ferne (unentdeckt) Zugriff, einschließlich aller Berechtigungen. Anschließend (ii) gefährden sie die kritischen Infrastruktur-Knotenpunkte. Und schließlich — „geht die Bombe hoch!“ — (iii): sie stehlen oder vernichten Daten, brechen Geschäftsvorgänge ab — was auch immer Ziel des Angriffs ist. Und was gleichermaßen wichtig ist: sie verwischen ihre Spuren, so dass sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.
Die Motivation, die Dauer der verschiedenen Vorbereitungs- und Durchführungsschritte, die Angriffsvektoren, die Eingriffstechnologie und die angewendete Malware selbst — alles ist individuell unterschiedlich. Aber unabhängig davon wie einzigartig ein Angriff ist, gibt es immer eine Schwachstelle. So dass der Blick aus der Vogelperspektive Gesamtüberblick, der sich aus verschiedenen Quellen im ganzen Netzwerk ergibt, es möglich macht, einen Eingriff zu erkennen.
Um alle Daten über derartige Anomalien zu sammeln und ein Gesamtbild zu erstellen, benutzt KATA Sensoren — spezielle „E-Agenten“ — die fortlaufend den IP-/Web-/E-Mail-Verkehr analysieren und die Vorgänge auf den Workstations und Servern überwachen.
Wir fangen beispielsweise IP-Verkehr (HTTP(s), FTP, DNS) mittels TAP/SPAN ab; der Websensor vernetzt sich über ICAP mit dem Proxyserver, und der Mailsensor wird über POP3(S) mit dem E-Mail-Server verbunden. Die E-Agenten sind richtige Leichtgewichte (für Windows etwa 15 Megabytes), sie sind mit anderer Sicherheitssoftware kompatibel und haben so gut wie keinen Einfluss auf Netzwerk- oder Endpunktressourcen.
Alle gesammelten Daten (Objekte und Metadaten) werden dann an das Analysezentrum übertragen, zur Verwertung und Archivierung mittels verschiedener Methoden (Sandbox, Antivirenscanner und anpassbaren YARA-Regeln, Überprüfung von Dateien und URLs, Abtastung auf Sicherheitsschwachstellen, etc.). Es ist außerdem möglich, das System mit unserer Cloud, dem Kaspersky Security Network, zu verbinden, oder es zur besseren Nutzung intern zu belassen, mit Hilfe einer internen Kopie über das Kaspersky Private Security Network.
Sobald das Gesamtbild erkennbar wird, ist es Zeit für den nächsten Schritt. KATA deckt verdächtige Aktivitäten auf und kann die Administratoren und SIEM (Splunk, Qradar, ArcSight) über jedwede unerfreuliche Entdeckung informieren. Und was sogar noch besser ist: je länger das System in Betrieb ist, und desto mehr Daten über das Netzwerk angesammelt werden, umso effektiver ist es, da atypisches Verhalten leichter zu erkennen wird.
Mehr Details darüber wie KATA funktioniert, gibt es hier.
Und ja; fast hätte ichs vergessen… wie viel kostet das?
Nun ja, darauf gibt es keine einfache Antwort. Der Servicepreis ist von einer Vielzahl Faktoren abhängig; dazu gehört unter anderem die Größe und die Topologie des Unternehmensnetzwerks, wie die Sicherheitslösung konfiguriert ist, und wie viele zusätzliche Services genutzt werden. Eine Sache ist allerdings klar: die Kosten sind unbedeutend verglichen mit dem potenziellen Schaden, den die Plattform abwendet.