17 Sep 2012
Füttern Sie nicht den Troll!
Meine Damen und Herren, darf ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit bitten!
Gute Neuigkeiten! Nach dreieinhalb Jahren jurisitischer Kämpfe mit Patent-Trollen, haben wir letztendlich einen Sieg davongetragen! Es war unsere erste Patentprozess-Schlacht in den USA und wir haben gewonnen! // Nun, wir mussten ja irgendwie Russlands Image nach dem Fiasko bei Euromeisterschaft 2012 wieder aufpolieren :).
Hier eine kurze Zusammenfassung.
Vor vier Jahren tauchten die Patent-Trolle plötzlich auf der Bühne auf und versuchten zu beweisen, dass wir Technologien verwendeten, die von anderen bereits patentiert worden waren. Weil wir soetwas schon erwartet hatten, und alles über Patent-Trolle wussten – wenn auch nur in der Theorie – hatte unsere eigene Patentabteilung seit ein paar Jahren bereits still und leise vor sich hin gearbeitet. Und unsere Patent-Feuerkraft für einen Showdown mit jeder Sorte Patent-Troll und Black-Hats vorbereitet.
Und dann fing diese Geschichte an, im US-Bezirksgericht für den östlichen Distrikt von Texas. So wie es aussah, konnte es nur schlimm für uns ausgehen, aber wir hatten nicht vor, einfach so aufzugeben. Selbst wenn wir verlieren sollten, würden wir dabei kämpfen, und es so brutal und blutig wie möglich für sie machen.
Und vor gerade ein paar Tagen, kam die finale Entscheidung.
Das zuständige Gericht gab sein Urteil im Fall IPAT bekannt und wies absolut alle Anklagepunkte gegen uns ab. Und das sogar mit einer Sachentscheidung – das bedeutet, dass IPAT keine weiteren Ansprüche auf diese Patente erheben kann!
Aber dies ist nicht nur irgendein gewöhnlicher juristischer Sieg.
Erstens hat eine IT-Firma einen US Patent-Troll bei einem Heimspiel und nach allen Regeln geschlagen. Zweitens waren wir die einzige Firma von insgesamt 35, die bei den Trollen nicht klein bei gegeben hat und sie während der ganzen Zeit bekämpft hat. Drittens haben wir einen Rechtsstreit gegen ein mächtiges Multilevel-Trollsystem gewonnen, dass schon seit Jahren viele der „großen Jungs“ erfolgreich tyrannisiert hat. Kurzgesagt haben wir ein klares Zeichen dafür gesetzt, dass man sich gegen Patent-Trolle einfach wehren muss. Jedes außergerichtliche Einverständnis macht sie nur noch gieriger, ermuntert sie zu neuen Klagen und hat generell einen negative Effekt auf die Entwicklung der IT-Industrie.
Und nun alles nochmal Chronologisch.
In den Jahren 2008 und 2009 reichten Trolle von IPAT zwei Klagen gegen uns und 34 andere Firmen ein, in denen Sie uns beschuldigten, gegen zwei Patente verstoßen zu haben (gegen dieses Patent und gegen dieses Patent auch). Wissen Sie, das ist ein Nationalsport ein Geschäft in den USA, das auf den Besonderheiten des dortigen Patentsystem basiert. Sie können Erfindungen patentieren lassen, die noch nicht fertig sind, oder selbst eine Idee im weitesten Sinne des Wortes patentieren – es ist egal, ob sie dann auch losgehen und diese Idee umsetzen oder nicht. In den neunziger Jahren wurden auf diese Art für mehrere „Technologien“ Patente ausgestellt, die so formuliert waren, dass sie praktisch jede Innovation abdecken konnten. Zum Beispiel gab es den Fall von Emoticons, das Upgraden von Spielfiguren, automatisiertes Ausfüllen von Webformularen, Aktivierung eines Produkts mit einem Code, 1-Click-Bestellungen… In der Tat gibt es da viele interessante Geschichten. Zum Glück hat niemand das Internet patentiert. Obwohl, man kann nie wissen – es ist wahrscheinlich nur eine Frage, den richtigen Angeklagten dafür zu finden. 🙂
Mit anderen Worten, es gibt keine Leere.
Viele Parasiten Trolle kamen aus dem Unterholz, als sie die Möglichkeit witterten, Geld zu verdienen. Viel Geld. Richtig viel, sicheres, leicht verdientes Geld. Nehmen wir mal als Beispiel einen der aktivsten Patent-Trolle, der den respektablen Namen Acacia Research Corporation trägt.
Im ersten Quartal 2012 meldete er Einnahmen von 99 Millionen US-Dollar, von denen 50 Millionen reiner Gewinn waren. RPX, eine Firma mit Verbindung zu unserem „alten Freund“ IPAT, meldete für den selben Zeitraum Einkünfte von 44 Millionen US-Dollar, und 8,6 Millionen Gewinn. Viele Patent-Trolle sind sogar an der Börse notiert. Nicht schlecht, oder? Vergessen Sie Waffenhandel, das Drogengeschäft und Cyberkriminalität! Alles hier ist legal, blitzsauber und wirkt schön respektabel! Wir schätzen den Vermögenswert dieses „Markts“ auf zehn Milliarden US-Dollar. Und er wächst weiter. Im Jahr 2011 stieg die Zahl der Patentprozesse um fast 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, und in einem Zeitraum von fünf Jahren sind die Lizenzgebühren an die Trolle satte 650-mal gewachsen!
Zunahme der Nummer der Gerichtsverfahren, an denen NPEs beteiligt ist
Quelle: PatentFreedom
Es wäre nicht so schlimm, wenn das Geld an die Entwickler und Erfinder gehen würde, und die Verfahren die Interessen der wirklichen Softwareanbieter repräsentieren würden. Trolle können aber als NPEs (Non Practicing Entities) eingestuft werden, die eigentlich nichts produzieren, nichts riskieren, und nichts anderes als Patente besitzen.
Sie genießen auch ein hohes Maß an Unterstützung aus den Häusern der Macht. Dadurch ist es schwierig, sie zu bekämpfen – man kann sie nicht mit Gegenklagen schlagen, da sie keine Produkte haben und keine Patente verletzen können. Dieser letzte Punkt, nebenbei bemerkt, ist wichtig für das Patent-Gleichgewicht das zwischen Hightech-Firmen existiert. Allgemein gesagt: Wenn man versucht, irgendeine allgemeine Klage gegen seinen Nachbarn einzureichen, wird man sofort mit einer Gegenklage getroffen.
Das Vorgehen von Patent-Trollen ist eine ganz andere Geschichte, die einer kompletten Saga à la Der Pate würdig ist. Und zwar ganz in diesem Stil, denn wenn man den Lack der Respektabilität wegkratzt, bleibt ein System zurück, das nicht besser ist als übliche Gaunereien.
Wie funktioniert das System der Patent-Trolle?
Die Software-Patent-Trolle haben sich über zwanzig Jahre hinweg entwickelt. Es sind keine kleinen Büros mehr, die sich mit kleinen Angelegenheiten beschäftigen, sondern ein mehrstufiges, gut-durchdachtes Komplott. Es versteht sich von selbst, dass Patente hier das Hauptkapital sind. Im Gegenteil zu uns und anderen Firmen, die sich rechtmäßig um Patente bewerben, überreden Trolle meist die Besitzer existierender Patente zu klagen, kaufen sie auf und erlangen – soweit es ihre Intelligenz erlaubt – eigene, fragwürdige Patente. Sie studieren die Patente aufmerksam, machen eine Liste potentieller Opfer, schätzen ihre Chancen ab, arbeiten ihre Position aus, und setzen die Räder des Rechtsstreits in Gang.
Hier fängt es an, interessant zu werden.
Es gibt „militante“ Trolle und es gibt Sammler-Trolle. Die ersten reichen Klagen ein, kämpfen vor Gericht, haben kein Problem mit offener Erpressung, versteckten Andeutungen, Angriffen auf die Partner des Angeklagten etc. Letztere – die Sammler – positionieren sich als die „Guten“, die jemanden gegen den ersten Typ verteidigen. Sie verstehen. Wenn sich die Schlinge um den Hals des Opfers langsam zuschnürt tauchen die Sammler auf, mit dem Angebot, deren Patentpool beizutreten. Für eine viel vernünftigere Summe als die, hinter der die aggressiven Trolle her sind.
Zufälligerweise haben diese Sammler mit den bösen, militanten Trollen für das gleiche Patent einen Nutzungsvertrag. Soweit wir wissen, kann die jährliche „Lizenzgebühr“ für die Nutzung des Patentpools von Zehntausenden bis zu mehreren Millionen Dollar betragen. Die größte Summe die uns bekannt ist, lautet sieben Millionen Dollar. Es kann aber auch mehr sein.
Im Jahr 2008 sagte ich zu unseren Anwälten, dass wir nicht aufgeben werden – geht vor Gericht und kämpft mit ihnen, bis zur letzten Kugel… deren Kugel :). Es war unsere erste Erfahrung einer Patentschießerei und wir entschieden uns, nicht nach zu geben und für unsere Rechte einzustehen.
Und am Ende, ist alles gut ausgegangen. Selbst wenn es uns dreieinhalb Jahre harter Arbeit und 2,5 Millionen Dollar plus viele andere Mittel gekostet hat. Nebenbei gesagt, ist das nicht das Ende der Geschichte – wir denken jetzt darüber nach, zurückzuschlagen. Aber egal, ich werde Sie nicht mit den Details langweilen oder unsere strategischen Geheimnisse verraten.
Wir befinden uns nun in einer interessanten Position. Im Grunde, war es kein so großer Kampf mit den Patent-Trollen, wie mit dem US-Patentsystem an sich. Ja, offiziell soll es Innovation verteidigen und fördern, aber gleichzeitig drückt es bei den Aktivitäten der Patent-Trolle beide Augen zu! Durch die Erpressung von vielen Milliarden von Dollar von Hightech Firmen jedes Jahr, saugen die Patent-Trolle tatsächlich Geld aus der innovativen Forschung!
Das US-Patentsystem hat einen ernsten Fehler. Wenn das Troll-Geschäft weiterhin diesen Kurs beibehält, wird es Innovationen nicht födern, sondern tatsächlich als Bremse der technischen Entwicklung fungieren.
Um Ehrlich zu sein, sind die Software-Firmen auch mit-schuldig.
Ich kann kleine Betriebe verstehen, aber wieso lassen sich große Jungs wie Microsoft und Apple außerhalb des Gerichts mit den Patent-Trollen ein? Was ist der Unterschied zwischen denen und anderen Erpressern – jene Art, die für immer an einem kleben bleibt, wenn man einmal auch nur ein wenig Schwäche gezeigt hat?
Und das tun sie ungestraft und bauen ihr „Geschäft“ sogar weiter aus! Warum nicht den Kampf mit den Patent-Trollen aufnehmen und ihr Geschäft unrentabl machen?
Auf lange Sicht würde diese Herangehensweise die Trolle gänzlich abtöten – ihre Klagen würden durch unvorhersehbare Ergebnisse zu teuer werden. Das wäre insbesondere der Fall, wenn man sie langsam mit Gegenklagen zur Patentgültigkeit und Anschuldigungen über Druckmittel und Erpressung erschöpfen würde. Stattdessen tun unsere lieben Industrikollegen genau das Gegenteil und kommen mit den Patent-Trollen außerhalb des Gerichtssaals überein.
Und hier spreche ich insbesondere von den 34 anderen angeklagten Firmen – inclusive Symantec, McAfee, F-Secure, Sophos, ESET, CheckPoint und AVG – die das RPX-Patent-Portfolio unterzeichnet haben!
Grundsätzlich gilt also: Bitte nicht die Trolle füttern! … sondern die technische Entwicklung schützen!