29 Aug 2013
In Jakutien wird Milch nicht eingeschenkt, sondern geschnitten
Privjet zusammen!
Jakutien (Heimat der Jakuten), offiziell Sacha genannt, ist sehr stolz auf seine riesigen Landschaften und vergleicht sich selbst gerne mit verschiedenen europäischen Ländern, vor allem (aus welchem Grund auch immer) mit Frankreich: In der Wikipedia (zumindest der russischen) heißt es, dass Jakutien ‚fünfmal so groß ist wie Frankreich‘ (Warum Frankreich? Warum nicht Spanien, die Türkei oder die Ukraine?) Es gibt viele andere Vergleiche im Internet – etwa den, der Jakutien gleichzeitig ungefähr mit dem Mittelmeerraum und dem Schwarzen Meer vergleicht.
Wie auch immer – wie man es dreht und wendet, gibt es keinen Zweifel daran, dass es sich hier um ein wirklich gigantisches Territorium handelt. Es stellte sich sogar heraus, dass Jakutien bei der Fläche die größte subnationale Einheit der Welt ist, die sich über drei Zeitzonen erstreckt!
Doch ich denke, wenn man dem Ort gerecht werden will, muss man ihn mit anderen großen Dingen vergleichen, nicht mit kleineren. Also los…
Doch mit welchem riesigen Gebiet kann man ein Territorium von etwa drei Millionen Quadratkilometern (aber einer Bevölkerung von nur fast einer Million – das sind drei Quadratkilometer pro Person) vergleichen?
Zunächst einmal mit Australien. Jakutien ist nur zweieinhalb Mal kleiner als ganz Australien und hat 20 Mal weniger Einwohner. Das ist aber auch logisch, denn in Down Under muss man nicht mit den wahnsinnig kalten Wintern Jakutiens leben. Wobei Australien ja auch nichts außer Wüste ist… deshalb sind in Australien wohl nur 20 Mal mehr Menschen zu finden (und die leben alle an der Küste).
Der nächste Vergleich: Kanada. Jakutien ist nur drei Mal kleiner als dieses Land inklusive all seiner Inseln. Allerdings liegt der Großteil von Kanada viel weiter südlich – so dass dort 35 Mal so viele Menschen leben.
Der nächste Kandidat: China. Dieses Land ist drei Mal so groß als Jakutien, wobei die Bevölkerung… hmmm, lassen wir das besser. China ist nicht das beste Beispiel…
Beim Pro-Kopf-Einkommen liegt Jakutien irgendwo bei Thailand, Kuba und Peru (jeweils), während es vier Mal geringer ist als in Australien und Kanada, und nur ein bisschen mehr als in China.
Jakutien kann aber nicht nur mit einem riesigen Territorium angeben; es ist auch bei Diamanten ganz vorne mit dabei, hat echt cooles ewiges Eis, und hat die extremsten, kältesten Winter – vor allem in Oimjakon. Und es gibt noch den Kolyma Highway (auf dem im Jahr 2004 Ewan McGregor und Charley Boorman bei ihrer Weltreise mit dem Motorrad gefahren sind), den Strom Lena und zu guter Letzt die Lenafelsen – die wir besucht haben. Hier die Fotos:
Wie viele Touristen, die hier her kommen, fragte auch ich mich, woher der Name Lena (sowohl für den Fluss als auch für die Felsen) kommt. Die kurze beziehungsweise Koseform des russischen Frauennamens Elena… das passt nicht so richtig… Es stellte sich heraus, dass der Name von dem alten ewenischen Wort „Elyu-En“ kommt, das „großer Fluss“ bedeutet. Perfekter Name. Denn die Lena ist wirklich ein sehr GROSSER Fluss.
Man kann bis zum Gipfel der Felsen hochsteigen, was wir natürlich getan haben. Es ist nicht so hoch – etwa 200 Meter (dafür sind die Felsen drei Kilometer breit):
„Glückwunsch – Sie haben den Gipfel erreicht!“
Wir haben auch bald herausgefunden, dass es entlang den kleineren Flüssen, die in die Lena fließen, noch weitere, den Lena-Felsen ähnliche Formationen gibt (die allerdings nicht so hoch sind). Wir waren am Sinyaya und dem Buotama unterwegs:
Unser (verstecktes) Transportmittel zu den Felsen
Entgegen aller Erwartungen war das Wetter während unseres Besuchs warm, kein Regentropfen fiel und es waren kaum Mücken oder Fliegen unterwegs. Das hätte ich tief in der russischen Wildnis nicht erwartet. Eine andere Überraschung war, dass in den Flüssen kaum Fische zu sehen waren. Ganz anders als in den Fisch-gefüllten Flüssen in Alaska, die gar nicht so weit weg sind…
Alles in Allem bietet dieses wahrlich schöne Fleckchen Erde einige tolle Ausblicke. Allerdings gibt es ein einziges aber: Man braucht einen Helikopter, um (von Jakutsk) hierher zu kommen, denn die Felsen und Klippen der kleineren Flüsse können nicht auf einem Schiff erkundet werden. Leider sind Helikopter nicht gerade eine günstige Art zu Reisen…
Als nächstes stand ein Besuch des ewigen Eises im Permafrost Kingdom auf dem Programm. Das war schon etwas Besonderes – ich habe so etwas noch nie gesehen. Der Eingang macht vielleicht nicht viel her, doch wenn man mal hinein gegangen ist, ist man in einer anderen Welt. Im Grunde ist es eine Art Museum, das aus einem Tunnelnetzwerk im Dauerfrost besteht – und das Licht dort unten… nun, das zeigen am besten die Fotos…
Am Eingang zieht man spezielle silberne Thermo-Mäntel und warme Stiefel an; wobei es – relativ gesehen – gar nicht sokalt ist, da die Temperatur in den Tunnels das ganze Jahr über konstant bei -7 Grad liegt (im Winter kommen die Menschen hierher, um sich aufzuwärmen :).
In den Tunnels werden alle möglichen Ausstellungsstücke gezeigt – seltsame Skulpturen, ein großes Stück gefrorener Milch, ein auspestopftes Mammut, das hier in der Nähe ausgegraben wurde (uns wurde gesagt, dass es nicht sehr groß ist, ein größeres aber auch nicht in den Tunnel gepasst hätte, und dieses hier zumindest noch vollständig erhalten war).
Der weltweit größte Brocken gefrorener Milch (zertifiziert!). Willst Du ein Stück? Ja!
Die Eishand im Foto unten repräsentiert die sinkende Vormachtstellung der Mitglieder einer traditionellen jakutischen Familie. Der erste Finger ist der Mann/Ehemann/Vater. Daneben: Das Rentier!! Dann: Die Frau/Ehefrau/Mutter (Nummer Drei, aber im Zentrum). Dann kommt die Tochter (da sie für eine zukünftige Aussteuer verantwortlich ist). Und zuletzt – der arme, kleine Sohn.
Am Ende, nahe des Ausgangs, wird – fast wie bei einer Tour in einer Schnapsbrennerei – der lokale Stoff serviert. Naja, er wurde von mir serviert (natürlich in Eis-Gläsern, zusammen mit (natürlich) tiefgefrorenen Fisch-Stücken. Ein perfektes Ende!
BTW, die Führungen werden von Planet Yakutia gut und professionell organisiert. Ja, das ist schamlose Werbung!
Liebe Gastgeber, lasst mich Euch etwas einschenken 🙂
Nun noch ein paar Worte über Jakutsk, die Hauptstadt von Jakutien.
Wie der Rest Jakutiens, ist auch hier das Klima sehr extrem. Im Winter wird es sehr kalt, im Sommer sehr heiß. Das Thermometer kann im Januar bis zu -60 Grad sinken, während es im Juli auf +40 Grad steigt. Deshalb ist auch alles gut isoliert, während die Gebäude trotzdem mit Klimaanlagen für den Sommer übersät sind. Diese sind nicht gerade günstig – wie so ziemlich alles andere auch, sind Klimaanlagen in Jakutien teurer als im restlichen Russland… Nun, abgesehen von Gold und Diamanten.
Jakutsk liegt wie der Rest von Jakutien (und damit also 65 Prozent Russlands) im Dauerfrost-Gebiet. Normale Gebäudefundamente reichen hier einfach nicht aus. Innerhalb weniger Jahre würden die Häuser so krumm werden, dass man sie nicht mehr nutzen kann – gefährlich wäre das. Deshalb stehen alle Gebäude (jedes für sich) auf Pfosten – ein bisschen wie auf Stelzen.
Wenn ein Haushalt etwas Geld übrig hat, werden diese Stelzen irgendwie schön und sauber eingedeckt. Für Haushalte mit weniger Rubel gibt es immer noch genug… Wind –der bläst zwischen dem Boden des Hauses und dem Erdboden. Brrr.
Im Stadtzentrum sind fast alle Wasser- und Abwasserrohre irgendwo verborgen, während sie in den Vororten über der Erde zu sehen sind. Deshalb beschreiben die Einwohner Jakutsk auf besondere Art: „Jakutsk – die Stadt mit den heraushängenden Eingeweiden“.
Nur japanische Autos mit Rechtslenkung
Jakutsk und seine Umgebung muss man gesehen haben. Wie gesagt, ist es am einfachsten, alle Sehenswürdigkeiten mit dem Helikopter abzufliegen, doch Sie kommen auch mit dem Schiff nah an die Lenafelsen heran – und haben dabei viel Zeit, sie meditierend anzustarren, diese unglaublichen Steinformationen. Und dann sind da natürlich der Dauerfrost und die typisch raue, nordische Landschaft. Plus… ja, ich will eines Tages nach Oimjakon (700 Kilometer Luftlinie, etwa 1.000 auf der Straße). Ich muss diese Fahrt einfach machen… Und ich muss diesen Ort im tiefsten Winter sehen – um einmal ECHTEN Frost zu erleben!… Nunja, Sie verstehen schon – es gibt hier einiges zu erleben.
Den Rest der Fotos finden Sie hier.
Das war’s für heute. Ich muss mich jetzt für die Feier vorbereiten – heute wird unser neues Büro offiziell eröffnet. Prost!