2 Jun 2015
Venezianische Virtuositäten.
Nach einer langen, aber absolut schönen Fahrt entlang einer ganz besonderen Küstenstraße, sind wir schließlich in Venedig angekommen! Hier hatten wir wie üblich eine Mischung aus viel Geschäftlichem und ein bisschen Freizeit (wobei das Letztere den Besuch interessanter Orte bedeutet – nicht, dass manche auf falsche Gedanken kommen!). Und ebenfalls wie üblich werde ich mich hier nicht mit dem nützlichen, aber langweiligen Geschäftsteil beschäftigen; dafür gehe ich direkt zum pikanten Vergnügen über. Und es war recht pikant; ein saftiges Abenteuer in der Avantgarde der bizarren Welt moderner Kunst…
Moderne Kunst – das ist ein… kontroverses Thema.
Aus Sicht eines Konsumenten moderner Kunst oder des Betrachters, kann sie totales Entzücken und Begeisterung auslösen, aber auch genau so gut Empörung und Ekel. Sie kann als Ideal avantgardistischer Ästhetik geschätzt werden, aber genau so den Betrachter entgeistert und sogar verärgert wegen der Absurdität mancher Ausstellungsstücke zurücklassen.
Moderne Kunst ist nicht nur kontrovers – sie kann auch verwirrend sein. Was ist hohe Kunst, was ist totale Sch…? Was ist ein Ausstellungsstück, was sind nur Befestigungen und Armaturen des Gebäudes, in dem die Ausstellung stattfindet, zum Beispiel ein Ventilator, ein Mülleimer, Reparaturen am Dach, ein Stecker in einer Steckdose?
Letzteres benötigt manchmal ein Schild, auf dem „Das ist ein Stecker, der in einer Steckdose steckt; ein Kunstwerk unseres Elektrikers“ steht, ansonsten würden es manche „Kunstliebhaber“ für ein Meisterwerk moderner Kunst halten. Und dann gibt’s noch Dinge wie Malevichs Schwarzes Quadrat – ein Stecker in der Steckdose, falls es je einen gegeben hat; und wie auch immer: Menschen kommen seit Jahrzehnten aus aller Welt nach Tretjakowskaja, um es mit eigenen Augen zu sehen.
Ich denke, jeder von uns kann genau so gut ein Kunstliebhaber oder -kritiker sein, wie jeder andere. Immerhin liegt Schönheit im Auge des Betrachters. Es gibt in Russland eine einfache Binsenweisheit, und ich glaube, sie passt hier ganz gut: Man kann nicht über den Geschmack [der Menschen] diskutieren. Man mag, was man mag. Punkt.
Aber ich scheine vorzugreifen. Ich habe Ihnen noch nicht gesagt, wo diese Fotos gemacht wurden…
Wir besuchten die Biennale in Venedig. Wir waren wegen unserer regionalen Partnerkonferenz dort und beschlossen, ein paar Stunden abzuhauen, um ein bisschen moderne Kunst zu genießen…
Erste Eindrücke? Können Sie es sich denken?…
Was haben die nur geraucht??!…
Ein bisschen später…
Warum wurden die aus dem Irrenhaus gelassen?
Noch später wurde alles besser. Puh. Dieses oder jenes bringt nur Befriedigung, Staunen oder Verblüffung – in positivem Sinn. Sogar so sehr, dass wir gar nicht mehr gehen wollten, so verzaubert waren wir. Wirklich, manche Dinge passen einfach, sind auf der richtigen Wellenlänge und hypnotisieren einen einfach.
Ein Beispiel: Dieses Stück Stoff. Ein Spitzentuch, das an den Ecken von vier Seilen hochgehalten wird, die an den Wänden befestigt sind; darunter ein sich drehender Ventilator, der das leichte Material in alle möglichen Richtungen bläst. Günstig und fröhlich. Einfach und genial. Hypnotisch. Minimalistisch. Mentalistisch!
Es scheint so, als würden mich die technischeren und detailierteren Ausstellungsstücke mehr interessieren…
Diese mysteriöse Installation enthält einen sehr alten, angepassten Kinoprojektor. Was Sie hier sehen ist ein alter Zelluloidfilm – aus der Zeit, als die Menschen Filme nur im Kino ansehen konnten, mit einer Geschwindigkeit von 24 Bildern pro Sekunde. Aber ich schweife ab…
Wie auch immer, das Ausstellungsstück läuft dauernd – wobei der Film durch das Gerät zirkuliert und dann bizarrerweise wieder heraus und in eine andere, extra angefertigte Vorrichtung läuft. Der Film wird auf die Mauer projiziert, aber das wirklich Spaßige ist das ganze technische Teufelswerk, das bei der Apparatur vor sich geht. Der Film durchläuft eine verschachtelte Route rundherum und das ist ein richtiger OMG der wundersamen Art. Wie ich schon sagte, je technischer und komplizierter – desto besser für mich. Die weniger fesselnde, weniger verschachtelte moderne Kunst…: Njet spasibo.
Als nächstes: der japanische Pavilion.
Nun ja. Was haben wir hier?
Ein simples Ruderboot. Aber darüber sind Tausende von Schlüsseln die an einem Netz aus roten Fäden hängen. Warum? Wer weiß. Das ist genau das Richtige für mich. Und die Schlüssel haben einige Türen zu verrückten Gefühlen in meinem Kopf aufgeschlossen :).
Und dann war da der skandinavische Pavilion. Die Skandinavier machen nicht lange rum – sie machen statt dessen ein Durcheinander! Sie haben alle Fenster eingeschmissen. Wirklich. Oh ja. Tieeeeeef? Tiefgründig verstörend eher :).
Die belgischen, spanischen und dänischen Pavilions waren… ekelerregend. Nein, nicht für mich. Der russische Pavilion war träumerische Negativität, also nicht überraschend; mein Urteil: „Sinnlos und unbarmherzig“. Sie sehen schon – es ist einfach ein Kunstkritiker zu sein :).
Der britische Pavilion war ein Ausgleich für die ganze Schwarzmalerei. Aber wirklich. Freimütige, ehrliche großbritannische Kunst! Ich frage mich, was wohl Ihre Majestät dazu sagen würde? 🙂
Eine ganze Menge Löcher im brasilianischen Pavilion:
Und noch mehr Venedig!!!
Moderne Kunst. Ich liebe sie, aber jetzt ist es an der Zeit, weiterzulaufen und Auf Wiedersehen zu sagen…
Tschüss für heute!…