Schwimmende Geschichte.

Aus Touristenperspektive ist Washington, D.C. nicht gerade die interessanteste Stadt der Welt. Ich würde sogar so weit gehen und sie ein bisschen langweilig nennen.

Das Washington Monument, das Lincoln Memorial, das Weiße Haus, das National Air and Space Museum und viele weitere Museen… und das war’s dann auch schon für den durchschnittlichen Touristen, denke ich. Wenn Sie also jemals in die USA reisen sollten, kann ich wohl empfehlen, die Stadt auszulassen und eher andere Metropolen zu besuchen, etwa San Francisco und New York, und dann vielleicht Arizona (vor allem den Grand Canyon), Kalifornien (vor allem die riesigen Redwood-Bäume) und den vulkanischen Nordwesten im Bundesstaat Washington. Und wenn es gerade Juli bis September ist, warum nicht auch Alaska? Ich könnte natürlich noch mehr aufzählen, doch die genannten Orte sind die besten.

Ich war diesmal allerdings in D.C. und ich brauchte ein bisschen was touristisches, das mir durch den Tag helfen sollte. Es sah nicht vielversprechend aus… Aber dann…

Zu meinem Erstaunen entdeckte ich, dass es in Washington, D.C. einige geheime Ecken gibt, die bis oben voll sind mit Schätzen aus der noch nicht so alten, aber doch so reichen Geschichte der USA. Ich habe eine davon besucht und war überwältigt, was dort alles geboten war. Es war die USS Sequoia, die frühere Präsidenten-Yacht.

Presidential Yacht Sequoia

Erbaut wurde sie im Jahr 1925, der Stapellauf war ein Jahr später. Dieses kleine Schiff war das schwimmende Heim aller US-Präsidenten bis 1977, als es aus dem Budget des Weißen Hauses genommen wurde. Der damalige Käufer hat die Yacht renoviert, aufgemöbelt und sie in ein schwimmendes Museum verwandelt. Sie kann auch für Veranstaltungen gebucht werden.

Was für ein Schiff! Von außen macht es gar nicht viel her, aber innen – ist es multidimensional. Und die wichtigste Dimension ist die historische. Auf diesem Schiff lebten und feierten die US-Präsidenten – von Hoover bis Carter. Oder holten nur etwas Schlaf nach. Die Probleme der Welt wurden hier diskutiert, Vereinbarungen wurden unterzeichnet, bahnbrechende Entscheidungen wurden getroffen und so manche präsidiale Party veranstaltet. Ich habe keine Ahnung, was hier wirklich alles passierte, aber wenn nur einige der Hinweise, die ich aufgeschnappt habe, wahr sind, war die Lewinsky-Affäre dagegen ein Kindergarten.

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Tja, irgendjemand, irgendwo weiß wahrscheinlich darüber – ganz genau! – Bescheid, was hier so passiert ist, zumindest an einer Stelle des Schiffs: Hier in dieser Schranktür ist ein kleines Loch, hinter dem eine kleine Kamera steckt. Und all die Fotos, die diese Kamera gemacht hat, wurden ja wohl kaum weggeworfen, oder? Es heißt, dass diese geheime Kamera von Richard Nixon installiert worden sei. Überrascht eigentlich nicht :).

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Übrigens war es hier, an diesem Klavier (auf dem ein guter Whisky stand), wo Nixon in der Nacht, in der er vom Präsidentenamt zurücktrat, in die Tasten griff.

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

An Bord gibt es Fotos von Nixon und Breschnew. Sie diskutierten im Jahr 1973 SALT II genau auf dieser Yacht.

Presidential Yacht Sequoia

Gorbatschow war ebenfalls einmal an Bord, aber ich kann mich leider nicht mehr an den Grund erinnern.

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Alles, das man hier sieht, ist auf irgendeine Art bemerkenswert.

Zum Beispiel der Sessel auf dem oberen Deck, den Roosevelt aufgrund einer Beschwerde Churchills hier aufstellen ließ. Die Lampen im präsidialen Schlafzimmer wurden von Jackie O ausgewählt, während eine bestimmte Kommode, die ihr nicht gefiel, sofort entfernt wurde. Ihr Mann arbeitete gerne im Schlafzimmer an verschiedenen Papieren, und um nicht dauern die Tür öffnen zu müssen, ließ er eine Luke installieren. Für einige Zeit gab es auch einen Aufzug zwischen den Decks, der für Roosevelt eingebaut worden war; deshalb gilt das Schiff als weltweit erstes, das behindertengerecht ausgestattet war. Johnson ließ den Aufzug später wieder entfernen und dafür eine Bar einbauen – für das mixen seines liebsten Getränks, Scotch on the rocks.

Auf einem Tisch sieht man einen Brandfleck von Trumans Zigarre, der während eines sehr aufreibenden Spiels Weltpolitik Poker einbrannte! Als sich Nixons politische Karriere dem Ende zuneigte, wurde er in Bezug auf Wanzen immer paranoider und befahl den Einbau eines speziellen, elektronischen Verschlüsselungsschilds rund um das Schiff. Und es gibt noch viel mehr ähnlicher Geschichten!…

…Auf diesem Schiff passierte wirklich Epochemachendes: Eisenhower arbeitete am Marshall-Plan, Kennedy feierte seinen letzten Geburtstag, Lyndon Johnson propagierte Bürgerrechte für Schwarze. Ja wirklich, auf die ein oder andere Art, manchmal mehr, manchmal weniger, wurden hier alle wichtigen, geschichtlichen Ereignisse der USA gestaltet – von der großen Depression bis zum Vietnamkrieg. Das ist eine ganze Menge; unabhängig davon, ob es gute oder schlechte Dinge waren – es steht mir nicht zu, das zu beurteilen. Auf jeden Fall ist die Sequoia ein faszinierendes schwimmendes Museum (muss man gesehen haben) – das kann ich mit Sicherheit sagen :).

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Von links nach rechts: Truman, Eisenhower, Kennedy:

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Presidential Yacht Sequoia

Kurz noch ein paar Fotos von der Party, die wir anlässlich der Eröffnung unseres neuen Büros am Rand der Stadt veranstalteten:

Washington, D.С.

Washington, D.С.

Washington, D.С.

Washington, D.С.

Die restlichen Fotos gibt’s hier.

 

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