23 Dez 2014
Schwerelosigkeit: Sprachlosigkeit.
Ich habe neulich die unerfreulichste Funktion meiner Lieblingskamera Sony RX-100 entdeckt: Sie macht bei null Gravitation keine Fotos! Statt dessen meldet sie nur „Drop detected“ und schaltet sich ab. Aber ich habe sie nicht fallen gelassen! Das Einzige, das gefallen ist, war die Erdanziehungskraft – auf null! Sony, ich weiß, ihr habt momentan genug Stress, aber bitte – dieses Problem muss gelöst werden!!
Später habe ich herausgefunden, dass es möglich ist, diese „Funktion“ abzuschalten, doch im Eifer des Gefechts, wenn man gerade in die Schwerelosigkeit übergeht, ist das letzte, das man tun will, sich durch komplexe, verschachtelte Menü-Ebenen der verwendeten Kamera durchzukämpfen. Aber zum Glück hatte so ziemlich jeder andere auf dieser Schwerelosigkeitsmission (dazu gleich mehr) eine Kamera dabei und sie haben alle die ganze Zeit fotografiert…
Das ist das einzige Foto des Tages, das ich geschossen habe – bevor meine Kamera aufgegeben hat:
Vorschau: Wir sind alle wie Astronauten in einem Raumschiff in der Luft geschwebt, und zwar in diesem Monstrum
Also, Schwerelosigkeit – totale Schwerelosigkeit, null Gravitation… Was ist das?
Eigentlich ist das nicht so exotisch und unerreichbar, wie man zunächst glauben könnte. Lassen Sie es mich an einem Mini-Experiment demonstrieren…
Stehen Sie auf und springen Sie hoch und runter.
Nein, wirklich, ich meine es ernst!
Allein durch das Springen an einem Punkt erfahren Sie für eine Viertelsekunde Schwerelosigkeit. Und wenn Sie auf einen Tisch steigen und davon herunterspringen, dauert die Schwerelosigkeit sogar eine halbe Sekunde. Falls Sie vom obersten Balkon eines Hochhauses springen sind es sogar ein paar Sekunden, aber das würde ich – aus naheliegenden Gründen – nicht empfehlen!
Aber komplette Schwerelosigkeit…? Vielleicht haben Fallschirmspringer so ein Gefühl? Oder Base Jumper? Nein – denen bläst allen der Wind ins Gesicht. Taucher? Das kommt der Schwerelosigkeit schon näher, aber Taucher haben immer noch Flossen, mit denen sie ihre Bewegungen kontrollieren, wobei es bei kompletter Schwerelosigkeit – nun, es gibt dabei nichts, mit dem man seine Bewegung halten oder kontrollieren kann…
Komplette Schwerelosigkeit ist natürlich im Weltall zu finden, oder in einem Weltall-Simulator – und so einen haben wir ausprobiert.
Wie Sie anhand der Fotos sicher schon gemerkt haben, war das eine überaus tolle Erfahrung. Einfach atemberaubend. Als erstes ist mir aufgefallen, wie sehr wir alle die Erdanziehungskraft als gegeben hinnehmen. Doch plötzlich nimmt man sie weg und BUMM. OMG. Das stellt die ganze Realität auf den Kopf, buchstäblich!!!
Wir haben uns also alle in die IL-76 begeben und sind losgeflogen… irgendwohin.
Dieses Monstrum braucht seine Zeit, um Höhe zu gewinnen – gute 20 Minuten, bis das Flugzeug die Flughöhe erreicht hat. Das war der Zeitpunkt, als wir unsere – originalen! – Fallschirme (mit Anleitung aus den 1960er Jahren!) abgenommen haben, genau so wie man sonst nach dem Aufstieg den Sicherheitsgurt in einem normalen Flugzeug lösen kann.
Ich liebe die unterschiedlichen Reaktionen auf den Gesichtern…
Am Anfang ähnelt der Flug dem in einem normalen zivilen Flugzeug – nur ohne Sitze oder Stewardessen oder Getränke. Doch es wird schnell ungewöhnlich, wenn man eine ernste Stimme hört, die über die Lautsprecher mitteilt, dass es Zeit für den „Regime-Testlauf“ sei. An diesem Punkt ist es möglich, ein bisschen aufgeregt zu werden, und wahrscheinlich auch ganz gesund. Aber vor was muss man schon Angst haben? Nun, das ist wie bei jedem guten Horrorfilm: das Unbekannte!!
Der „Regime-Testlauf“ ist das Aufwärmen – bevor es in die komplette Schwerelosigkeit geht. Dafür führt die Iljuschin ein Flugmanöver aus, das uns 2 g spüren lässt. Im Grunde macht das Flugzeug einen Sprung.
Erstaunliche Selbstbeherrschung. Die Lotus-Position hat einen ganz klaren Einfluss
Nun, ein 2-g-Sprung hört sich nach nichts Besonderem an. Aber sagen wir mal, Sie wiegen 100 Kilogramm. Bei 2 g werden daraus auf einmal 200 Kilo! Zum Glück haben mir meine Besuche im Fitnessstudio geholfen, die Belastung zu meistern, aber es war nicht ganz einfach.
Ein wenig später wurde es dann ernst und die Lautsprecherstimme rief: „REGIME!“ (volle Schwerelosigkeit).
Diesmal fühlt man sich nicht doppelt so schwer wie normalerweise – diesmal heben sich die Füße vom Boden und man beginnt den klassischen Weltraum-Spaziergang-Drehkreisel/Flug, wie man ihn von den Filmen von Astronatuen im Weltall kennt…
O h m e i n G o t t ! ! !
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Was kann ich sagen. Es gibt nichts Vergleichbares. Einfach verrrückt. Ich glaube, wenn Sie das Video ansehen, stimmen Sie mir zu:
Ich denke, am besten kann man es mit „total desorientierend“ beschreiben. Richtung, Bewegung, hoch, runter, rüber – all das wird bedeutungslos. Kein Gewicht… bald denkt man auch nicht mehr, da das alles so atemberaubend ist!
Dann hört man über die Lautsprecher „20 Sekunden“. Was? Schon? Buuuh! Dann schnappt sich einer der Trainer deinen schwebenden Körper, um dich vorsichtig zu führen, damit die Schwerkraft nicht mit einem harten Schlag beginnt.
Dann gibt es für etwa 20 Sekunden eine weitere Dosis 2 g, während sich das Flugzeug wieder fängt. Diesmal ist es besser, sich hinzulegen, das kann ich Ihnen sagen! Puuuuh! Wie müssen sich dann 3 g, 5 g, 8 g anfühlen? 🙂
Dann ging es zurück zum Normalzustand – 1 g. Aber nicht für lang…
Da war wieder die Stimme – „Fertig machen!“ Und wieder die 2 g! Diesmal steht niemand. Am besten ist es, sich hinzulegen – und auch den Kopf auf die weichen Matten zu legen.
Und dann ist alles vorbei. Getan. Ich bin nicht sicher, ob ich komme oder gehe, oder ob ich erleichtert oder traurig sein soll, dass es vorbei ist. Sehr komischer Zustand…
Ich dachte, es wäre vorbei – aber nein: Es geht nochmal los!… Helle Lichter gehen an und die Stimme ruft wieder „Regime!“. Und wuhuuuuuuuuuuuu!
Insgesamt wird das 10 Mal wiederholt.
Zehn Durchläufe… Persönlich wären mir 15 lieber gewesen; andere Teilnehmer sehen das sicher anders! Etwa ein Fünftel unserer Gruppe hat nicht alle 10 Durchgänge ausgehalten. Sie sind leise aus dem Hauptraum geschlichen und… haben sich im medizinischen Abteil übergeben (in Lehnstühlen, die extra für solche Fälle entworfen wurden 🙂 !
Wie Sie schon gemerkt haben, hat es mir recht gut gefallen. Ob ich es empfehlen soll… das ist schwer zu sagen – denn entweder mag man es sehr oder man mag es überhaupt nicht. Dazwischen gibt es nichts. Man muss es ausprobieren und selbst herausfinden…
Wo? Bei Ihrem örtlichen Vomit Comet natürlich!