Die Augen der Welt.

Wie betrachtet der Planet Erde die Welt [sic.]; ich meine, wo sind seine Augen?

Das ist richtig — seine Teleskope!

Es gibt unterschiedliche Arten, Formen und Anwendungen von Teleskopen: es gibt Radio-/Gammateleskope, verschiedene Weltraumteleskope und auch optische Teleskope — welche einen Durchmesser von mehr als einem Meter haben. Von letzteren gibt es nur einige Dutzende oder vielleicht um die Hundert auf der Welt. Es gibt jedoch weitaus weniger gute Standorte für diese Art von Teleskopen; eigentlich nur drei. Hawaii (hier war ich), die Atacamawüste im Norden Chiles (hier war ich noch nicht) und die Kanarischen Inseln (hier war ich erst letzte Woche). Alle drei Standorte haben saubere, trockene Luft und stabile Wetterbedingungen und liegen weit entfernt von den Lichtern der Zivilisation — daher verfügen sie über die idealen astroklimatischen Umstände.

Als ich letzte Woche auf Teneriffa war, beschlossen wir nach der SAS-2016-Konferenz, uns diese großen Teleskope anzusehen. Wir dachten — da wir schon einmal hier sind und hoffentlich mit einem Astronomen/Astrophysiker reden konnten — wir uns auch gleich die Werkzeuge angucken und wie immer eine Menge Fotos schießen könnten (wo dies erlaubt ist; aber im Endeffekt war es fast überall erlaubt:).


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Es gibt zwei Teleskopzentren auf den Kanaren — das Teide-Observatorium auf Teneriffa und das Roque de los Muchachos Observatorium auf La Palma. In ersterem gibt es vor allem Teleskope zur Sonnenbeobachtung und in letzterem Sternenteleskope.

Die Sonnenbeobachter sind normalerweise relativ klein (mit einem Durchmesser von ca. einem Meter), da sie keine riesige Optik brauchen. Aber hier auf La Palma kann man die Sonnenbeobachter kaum klein nennen: ein Gammateleskop mit einem Durchmesser von 17m und das größte optische Teleskop der Welt — dem 10.4m Gran Telescopio Canarias.

Aber beginnen wir mit dem Hintergrund: ich werde Ihnen ein bisschen über die Teleskope auf Teneriffa erzählen…

Hier sind die Schönheiten. Wir haben leider nur die Sternenbeobachter-Teleskope gesehen, da wir das Observatorium mitten in der Nacht besuchten (tagsüber waren wir zu beschäftigt auf der SAS). Wir besichtigten ein IAC80 und ein Carlos-Sanchez-Teleskop. Wir sahen keine Sonnenbeobachter — sie sind nur tagsüber sichtbar, wenn die Sonne scheint.

Man muss nicht erwähnen, dass hier alles durch Computer kontrolliert wird. Astro-ICS :)…


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Äh, vielleicht war ich zu schnell. Ich habe gesagt, dass alles Astro-ICS gesteuert wird, aber schauen Sie, was wir etwas später gefunden haben: einen handgefertigten Holzgriff am Ende eines behelfsmäßigen Stück Seils; das Klebeband ist echt silberfarben (voll progressiv!).

 

Das Gran Telescopio Canarias auf der benachbarten Insel La Palma ist wegen seiner Größe weitaus eindrucksvoller. Es handelt sich um ein richtigen astronomischen Giganten. Einer unserer Mitarbeiter sagte: „Wir hätten sofort hierherkommen sollen, anstatt nach Teneriffa zu fahren!“

 

Die runde Hilfsplattform, das Gerüst darauf und das Spiegelgewicht von 450 Tonnen. Da man sich nicht einmal die kleinste Vibration leisten kann, wenn es um eine professionelle Teleskopausrüstung geht, liegt der Drehmechanismus auf einer Ölbasis — keine Zahnräder, die ineinander greifen. Ich habe herausgefunden, dass wenn man dem Gerüst einen Stoß gibt und man seine Füße auf dem Boden außerhalb der Drehbasis hat, man es tatsächlich drehen kann! So kann ein einziger Mensch ein 450-Tonnen-Gerät antreiben! Na das nenn ich Schmierung!!

 

Und bei Notfällen — der gute alte rote Knopf…

So wie auf Teneriffa ist alles miteinander vernetzt und computergesteuert (abgesehen von einigen individuellen Anpassungen, natürlich).


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Aber — lassen wir Sicherheits-ICS mal beiseite — was macht diese Ausrüstung eigentlich? Ich meine, wie gelangt das Licht der Sterne anhand dieser Ausrüstung zu dem Nobelpreis-Astrophysiker?

Hier ist die Antwort des Astroexperten, der uns herumgeführt hat:

„Das GTC [Gran Telescopio Canarias] beobachtet Objekte mit einer scheinbaren Helligkeit von 28 und belichtet diese 30 Minuten lang für jedes Bild. Danach werden die Bilder zusammengefügt und manchmal deckt die Summe von allen Bildern eine Zeitspanne von 10 Stunden ab.“ Ziemlich cool.

Wie funktioniert das alles?

Das Licht der fernen Sterne und Galaxien reflektiert sich in dem 10.4m großen Hauptspiegel; dann wird es von einem zweiten ca. einen Meter breiten Spiegel reflektiert; dann gelangt das Licht in den „Turm“ in der Mitte des Hauptspiegels (diesen Turm sieht man auf den Bildern); und von hier aus wird das Bild auf verschiedene Kameras übertragen, die an den Ecken des Hauptspiegels angebracht sind. Das Licht erhält anhand verschiedener Arten von Optiken, Spektrometern, Polarimetern und anderen mysteriösen Erfindungen sein Bild.

Weiter geht’s auf unserem nächtlichen Ausflug über das Gelände…

… Und hier finden wir ihn endlich: den größten, astrophysischen Spiegel des Planeten!

 


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Großer Spiegel? Zeit für ein Selfie im Spiegel! Ein Selfie im größten Spiegel mit der größten Kamera!

 

Es sieht so aus, als würde sie nicht mehr lange die größte Kamera der Welt sein. Während ich dies schreibe, werden gleichzeitig drei größere gebaut: das passend benannte Giant Magellan Telescope in Chile (15.2m), das Thirty Meter Telescope auf Hawaii und das European Extremely Large Telescope (39m; europäisch aber in Chile; hmmm.). Diese gigantischen Teleskope sind jeweils für 2020, 2022 und 2024 geplant.

Es gibt außerdem ein russisches Projekt — das Gagarin-Teleskop — aber bisher existieren die Pläne hierfür nur auf Papier. Die Pläne sind jedoch mit Sicherheit groß und ehrgeizig. Falls alles nach Plan verläuft, wird es das größte aller Megateleskope — mit einem 60m breiten Spiegel!


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Ich bin mir jedoch nicht ganz sicher, wie realistisch das Budget hierfür ist, da es bei den heutigen Finanzierungsproblemen einfach zu hoch scheint: zwei Billionen Dollar (das 10m große Gran Telescopio Canarias kostet 130 Millionen Euro und das europäische 39m große Teleskop kostet etwas über eine Billion).

Es gibt jedoch Hoffnung.

Erstens wird das Gagarin-Projekt von der Moskauer Staatsuniversität unterstützt. Zweitens ist die gesamte Herstellung der Ausrüstung in Russland geplant — insofern gibt es keine überhöhten Importpreise wegen des schwachen Rubels. Drittens wurde der vorgesehene Preis des Projektes vor Jahren berechnet; jetzt sind die Kosten des Projektes in Dollar wegen der starken Schwankungen des Wechselkurses wesentlich geringer. Viertens wird es über einen Zeitraum von 10 Jahren gebaut — wobei optimalerweise Budgetkosten ausgeglichen werden.

Also ist das, was die Welt bereits besitzt, schon echt cool, aber laut dem, was die kanarischen Astronomen mir gesagt haben (mit großen Augen und offenem Mund) ist das, was die Welt haben wird, wenn Gagarin gebaut wird und in Betrieb ist, noch viel cooler.

Einen Moment mal; braucht die Welt wirklich ein anderes, größeres Teleskop? Gibt es nicht bereits genug? Eigentlich nicht — es gibt nie genug. Das Universum ist unendlich (so ungefähr) und daher braucht man unendliche (so ungefähr) Mittel, um es zu studieren. Das glaube ich zumindest. Egal, wie viele Teleskope existieren, es wird immer zu wenige … Rechenzentren geben, um die Informationen zu verarbeiten, die gesammelt werden. Also ja — Ich bin voll für die Idee eines Supermegateleskops mit einem 60m großen Spiegel. Ich bin ebenso dazu bereit, mich was Anti-Malware-Software betrifft zu beteiligen!

Gleichzeitig, auf den Kanaren, sieht der Blick vom Superteleskop so aus:


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Was kann ich noch über das Teleskop und das Observatorium sagen, in dem dieses steht?

1. Man kann nicht durch die Linse von dieser Kamera diesem Teleskop schauen, wie man es bei einer normalen Kamera tut; man kann nur anhand von einem Computerbildschirm „durch die Linse“ gucken.

2. Ich sah folgendes in einer Ecke und dachte: „Astro-Photoshop“!


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3. Wie alle anderen Gegenstände, sammelt auch der Spiegel Staub an. Er wird anhand von einer Hochdruckdüse aus Kohlendioxid gereinigt und manchmal werden die Spiegelteile abgebaut und zum Polieren geschickt.


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Noch ein Spiegel-Selfie…


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4. Direkt hier am GTC findet das Starmus Festival statt. Ich muss auf jeden Fall zum nächsten hin, was zufällig dieses Jahr stattfindet.


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Die Teilnehmer dieses Festivals sind immer wichtige Leute aus den Bereichen Wissenschaft, Weltraumfahrt, Astronomie — und Rockmusik! Es ist bekannt, dass Rick Wakeman ebenso wie Brian May, der abgesehen davon, der Gitarrist von Queen zu sein, auch Astrophysiker ist, an diesem Festival teilgenommen haben.

5. Die Astronomen haben sich den perfekten Ort für ihr „Büro“ ausgesucht. Rundherum: wunderbare Landschaft + das perfekte sonnige Klima!

6. Hier sind das Galileo und MAGICTeleskop, aber leider nur aus unserem Busfenster, da wir keine Zeit mehr für eine nähere Inspektion hatten.

7. Eine kleine Anekdote zum Schluss… wissen Sie woher der Name „Kanarische Inseln“ kommt? Nein, nicht von dem Vogel, sondern von dem lateinischen Wort für „Hund“! „Hundeinsel“! Hat nicht den gleichen Klang oder Reiz, nicht wahr?


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Alle Fotos vom Roque de los Muchachos Observatorium gibt es hier.

 

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