5 Sep 2016
Altai-2016: Katun-Wasserpark
Nach den Shyoki-Stromschnellen wird der Katun zu einem recht ruhigen Fluss und bleibt so für 200 km, auf denen der sanfte (jedoch schnelle) Strom des Flusses nur selten von kurzen Stromschnellen unterbrochen wird. Alles drumherum sind Berge, grüne Wälder und Felder, und keine einzige Person auf Kilometern in Sicht – bis auf uns. Wir sahen nicht einmal Wildtieren, abgesehen von Enten und ein paar lokale Arten von Netta oder Kormoranen, die gelegentlich über dem Fluss hin- und herflogen.
Unser mit Touristen beladenes Boot spritzte den Fluss herunter, der Kapitän war still – es gab keine Anweisungen zum Rudern – also genossen wir den Ausblick und die Landschaft, während wir weiterfuhren. Die Sonne kam heraus, wärmte uns und schaute von oben auf uns herab. Also verfielen wir der Meditation und dem Nirvana…
Nur selten mussten wir uns aufrütteln, um Befehle, wie „links rudern, Wasser rechts zurückhalten“ auszuführen, richtig in eine andere Stromschnelle zu kommen und eine entspannte Dusche mit Flusswasser zu bekommen. Die Wellen sind recht hoch und der vordere Teil des Boots wurde recht nass, also mussten die Passagiere Touristen, die hinten saßen, hier und da ein paar entspannte Duschen über sich ergehen lassen. Der Steuermann blieb durchgängig trocken – nun, er ist ein Profi, keine Frage.
Und dann ging es zurück ins Nirvana, zur Meditation und in den Prana-Modus.
Das Boot spritzt, die Landschaft fließt langsam vorbei, der Fluss schlängelt sich links und rechts und die Zeit läuft auch auf ihre eigene Art. Es ist alles ein wenig unbemerkbar, aber man wird einfach mitgerissen. Ich meine – man wird wirklich mitgerissen. Die Landschaft ändert sich langsam, der Strom ist sanft und gemäß (um die 7-10 km/h), und die Zeit vergeht unbemerkt. Die Touristen schafften es, jedes mögliche Gesprächsthema durchzugehen, also schwiegen sie ab und zu; selbst wenn sie sich unterhielten, war es nicht schwierig, sich auszuklinken und ihre Unterhaltungen zu ignorieren, die sich normalerweise um „Nun, hier kommt noch eine andere Story…“ drehten. Der Kapitän hielt auch oft seinen Mund. Wahrscheinlich schaute er sich auch um und meditierte zusammen mit uns.
Dann wurden wir mit Honig und Met verwöhnt, und es wurde für einen Moment munterer. Ich hätte immer weiter den Katun entlangspritzen und meditieren können, aber dann aus dem Nichts…
Ta-da! Ein Motorboot! Und dann noch eins! Und dann noch eins, und noch eins.
Wow, der Fluss wurde recht besiedelt. Der Motorbootverkehr war recht bescheiden und überschnitt sich nicht mit meiner Meditation. Jedoch erschienen Jägerhütten, -Häuser und Bienenhäuser allmählich an den Ufern. Manche Häuser sahen qualitativ recht gut aus. Dann kam das Dorf in Sicht – mit dem romantischen Namen Maralovodka oder ‚Rotwildgewässer‘. Das war die erste besiedelte Region, die wir in 10 Tagen halbselbständigem Reisen sahen.
Also was taten die Touristen? Und was hatten Sie, lieber Leser, getan?
Natürlich ging’s ins Dorfgeschäft! Da haben wir es, das grüne Gebäude rechts. Wir kauften viele Sachen, ein bisschen hiervon und ein bisschen davon. Ich nehme zwei davon, nein, vier.
Wir kauften auch Eis. Versuchen Sie mal, ein oder zwei Wochen zu wandern, reiten und raften, und dann wird ihnen eine schlichtes Vanilleeis wie eine wahre Delikatesse erscheinen!
Dann hatten wir weitere 20 Kilometer Entspannung und Meditation, bis wir zum relativ großen Dorf Ust-Koksa gelangten.
In Ust-Koksa verzichtete ich auf den Eissturm aufs Geschäft (aber bestellte eine Lieferung 😀 ) und meditierte weiter mit Blick auf die Landschaft und unterhielt die Kinder, die angerannt kamen, um die „Touristentypen“ zu sehen.
Übrigens wurde uns gesagt, dass wir die erste Crew waren, die diese Saison diese Route gemacht hatte. Niemand zuvor war den obersten Abschnitt des Katun dieses Jahr gefahren. Ein Wort: Pioniere!
Noch ein „Übrigens“ – im Foto unten können Sie eine horizontale Linie an der Bergseite sehen…
Das ist der Wasserpegel eines antiken Sees, den es hier in vergangenen kalten geologischen Epochen gab, als das Wasser des Katun von den Gletschern, die in den Schluchten des Belucha befanden, eingeschlossen waren. Das heißt, dass einige der Berge hier Inseln in einem riesigen See waren.
Das wahre Wunder passierte später: als wir an Ust-Koksa vorbeifuhren, wurde der Katun zu einem perfekt ruhigen Fluss. Das Team fiel in einen totalen Entspannungsmodus, Genuss und vollkommenen Moralverfall auf alle erdenkliche Arten.
Alles wäre toll gewesen – wir schlängelten uns, begleitet vom Vogelgezwitscher, gemächlich den Fluss herunter, mit Prana und Meditation auf den höheren Ebenen, bis… ta-dam! Überraschung! Ein Nicolas Roerich-Museum. Ein recht unerwarteter Fund. Es handelt sich um ein Kulturcentrum am oberen Kantun.
Wir hatten eine geführte Tour durch das Museum. Es war dort kälter als das raue Wasser des Kantun. Ich muss aber auch zugeben, dass es das erste Mal war, dass ich ein Museum in Shorts besichtigte. Das kann ja mal passieren.
Das ist das Dorf Upper Uymon. Was ist das Besondere hier? Nun, es ist ein sehr langer Weg bis nach Brüssel. Aber die Hauptstraße ist aus Asphalt und es gibt Schokoladeneis im Geschäft!
Auf der Hälfte unseres Altai-Trips hatten wir einen…’freien Tag‘; nein – eigentlich eine ‚feie Nacht‘: wir hielten im Dorf Tyungur (wo unsere Route begann) und verbrachten die Nacht im gleichen Touristencenter, in dem wir unsere allererste Nacht hier verbrachten. Wir wanderten, flogen und rafteten durch die Altai-Berge. Am Ende des Trips werden wir eine schiefe Acht gemacht haben und demnach haben wir den unteren Bogen geschafft.
Wir verbrachten die Nacht im Touristencentrum (d. h. in Betten in einem Raum), aber fast jeder, durch Macht der Gewohnheit, stellte Zelte um das Gebäude herum auf. Gleich danach setzten wir uns zusammen, um den Sonnenuntergang zu genießen.
Das ist ein wunderschöner, wilder Ort; den empfehle ich.
Es war seit über 20 Jahren mein Traum gewesen, eine Raftig-Tour über den Katun zu machen, und besonders durch die Akkem-Stromschnellen zu fahren. Jetzt habe ich es getan! Und darin geht es in meiner nächsten Geschichte…
Die Akkem-Stromschnelle ist ein 10 km langer Abschnitt des Flusses in einer Schlucht, aus der man schwer entkommen kann. Es ist praktisch unmöglich, am Ufer entlang zu gehen – dort liegen Steine und Felsen verschiedener Größen oder steile Klippen. Man kann versuchen, über einen Weg am oberen Hang hochzusteigen: es gibt definitiv einen am linken Ufer; angeblich gibt es auch einen anderen am rechten Ufer.
Jedoch ist das Ersteigen von 200 oder 300 Meter hohen Hängen nur etwas für Kletterenthusiasten. Daher gibt es, sobald man sich im Akkem-Canyon befindet, selbst an seinem Beginn, nur ein Weg raus; man muss über die Wasserroute nach unten, bis zum bitteren Ende, ganz egal, was geschieht.
Es beginnt mit einem angenehmen Fluss und malerischen Nebenflüssen. Nichts Trügerisches…
Das milchig weiße Gletscherwasser des Akkem fließt in den pudrig blauen Katun; atemberaubend!
Neben dem Berg biegt der Fluss nach links und dort liegt der Zugang zur Akkem-Stromschnelle.
Technisch gesehen, ist die Akkem-Stromschnelle nicht so schwierig, was die benötigten Fähigkeiten, um sie zu überwinden, angeht. Es ist grundsätzlich ein starker Flussstrom in einem verengten Flussbett, mit gelegentlichen, milden Unterwasserströmen, die an die Oberfläche kommen. Jedoch gibt es eine kniffelige Stelle, mit mehreren Löchern, an denen man potentiell kentern kann. Da muss man anhalten und eine Weile damit verbringen, das Wildwasser zu betrachten. Neben dem ‚Betrachten von Hindernissen und Folgen von Anweisungen‘, muss man auch die Schönheit des Wildwassers und der schaumigen Wellen in sich aufnehmen.
Unser Kapitän steht kurz davor, den Befehl zum Start zu geben.
Also, alles angeschaut? Fotos geschossen? Dann kann es ja losgehen. Und alles raste vorbei. Spritz-spritz, bang-bang, etwas Wasser flutete in mein Gesicht und dann wurde ich auf die andere Seite des Bootes geworfen (ich dachte, wir wären gekentert), dann nochmal und nochmal und nochmal, und dann wendete der Kapitän das Boot zur Breitseite und rief „gute Arbeit, geschafft!“
Das war cool! Das möchte ich noch einmal machen!
Später, als wir das Camp für die Nacht aufgestellt hatten, kam mir ein Gedanke: Wasserparks werden nach der Akkem-Stromschnelle niemals das Gleiche sein. Es war wirklich cool. Ich muss das unbedingt irgendwann wiederholen!
Jetzt schreitet der Abend voran und es ist Zeit, ins provisorische Camp zu gehen – für die, die durch die Akkem-Stromschnelle und das Wildwasser des Argut und den Nebenfluss des Katun gefahren sind.
Dieses Camp ist bekannt für seine ‚Touristeninstallation‘, auch als ‚Museum des Wassertourismus‘ bezeichnet. Wir hinterließen auch eine Nachricht. Falls Sie einmal hier sein sollten: wir haben das schwarze T-Shirt hinterlassen, aber ich denke, Sie hätten das auch durch den Aufdruck erraten…
Und vor uns lagen noch immer die mächtigen Stromschnellen von Katun. Darüber erzähle ich Ihnen mehr im nächsten Post…