3-in-1: Geschichte, Innovation und Geschäftsreise.

Ich befinde mich oft an den verschiedensten Orten auf diesem Planeten, aber häufig sind diese… vorhersehbar: Hauptstädte, Unternehmenszentren, Orte, die man gesehen haben muss

Manchmal gelange ich jedoch auch an weniger bekannte Orte. Zum Beispiel: Swijaschsk. Haben Sie davon gehört? Wahrscheinlich nicht!

Es handelt sich um eine alte Stadt, die heute ein Dorf ist und sich am Zusammenfluss von Wolga und Swijaga befindet.

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Laut unserem exzellenten Reiseführer (ich traue guten Reiseführern mehr als, sagen wir mal, Wikipedia) verlief die kurze Geschichte der Stadt wie folgt:

Iwan der Schreckliche versuchte zweimal Kasan zu erobern, was ihm aber beide Male nicht gelang, weshalb er sich nach Moskau zurückziehen musste. Bei seinem dritten Versuch änderte er die Strategie: eine Festungsstadt musste letztendlich gebaut werden, die sich um die 25 Kilometer von Kasan entfernt befand. Eigentlich war der Bau einer solchen Festung entweder in der Nähe der Stadt Uglitsch oder Myschkin geplant – mehr als tausend Kilometer von Kasan die Wolga flussaufwärts: ja, sie fertigten einen beweglichen Festungsbausatz an! Sobald die Festung fertig war, wurden die Holzstämme und alles, woraus die Festung bestand, vorsichtig markiert und abgebaut, um dann den Fluss 1000 Kilometer hinunter geschifft zu werden! Im Mai 1551 wurden all die übergroßen Legoteile in nur vier (4!) Wochen, wie bereits erwähnt, 25 km von Kasan entfernt wieder zusammengebaut.

Die Stadt (Insel) ist um die 1200 Meter lang und 700 Meter breit.

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Sieht nach einem ehrgeizigen Plan aus! Sie schafften es trotzdem. Vor über 460 Jahren. Ihnen gelang nicht nur der Wiederaufbau, sondern sie benutzten die Festung auch im dritten Angriff auf Kasan, als die Stadt schlussendlich Zar Iwan IV. (dem Schrecklichen) unterlag.

Spulen Sie 400 Jahre vor und die Festungsstadt bekam einige Beulen während der Revolution: ein Großteil wurde zerstört. Der einzige neue Bau aus dieser Zeit war ein Denkmal für Judas (von allen Leuten, denen man ein Denkmal hätte widmen können!). Dies ist zumindest eine Version. Heute gibt es keine Spur eines solchen Denkmals, also wer weiß schon, ob das stimmt.

Von den Jahrhunderte alten Gebäuden ist nur eins übriggeblieben – die Troizkaja-Kapelle:

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Heute hat Swijaschsk eine Bevölkerung von ca. 270 Menschen. Zu seiner Blütezeit waren es etwa 3000.

DSC02591Die Aussichten rundherum sind schier endlos…

DSC02589Der Damm der Insel (den man auf dem dritten Bild von diesem Beitrag sieht) heißt „Straße des Lebens“. Und das stimmt auch: ohne Damm gäbe es auch keinen Zugang zu Swijaschsk – blockiert. Ein anderer interessanter Ort an der Wolga, von dem Sie bestimmt noch nie etwas gehört haben, ist Bolghar, was früher zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert die Hauptstadt vom Reich der Wolgabulgaren war. Archäologische Ausgrabungen haben hier eine Menge an sehr alten Dingen ausgebuddelt, die zurück in die Bronzezeit reichen. Leider verfügen die Museen vor Ort nicht über die Ausgrabungsgegenstände, da diese an die Eremitage in Sankt Petersburg versendet wurden. Die antike Stadt hatte eine beachtliche Größe für ihre Zeit – 2×2 Kilometer, d.h. sie hatte mehrmals die Größe des Kremls in Moskau oder die der Peter-und-Paul-Festung in Sankt Petersburg. Die Außengrenzen der alten Siedlung sind heute noch markiert durch einen kreisförmigen Erdwall, in dem man Reste der antiken Mauer finden kann. Es schien, als sei es kein schlechter Ort gewesen – es war viel gebaut worden und die Stadt war reich geworden. Sie wurde regelmäßig erobert und zerstört, und dann wiederaufgebaut – immer wieder. Im 15. Jahrhundert wurde sie schließlich vollkommen zerstört.

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DSC02573Ein interessanter, heiterer Ort. Erhoben, mit einem tollen Ausblick auf die Wolga und das Umland. Ein Freilichtmuseum neben der antiken Siedlung und sechs (6!) in Richtung der Wolga. Eine tolle Geschichte – man muss hierherkommen.

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DSC02578Hier in Bolghar kann man den weltweit größten Koran finden, der im Guinnessbuch der Rekorde eingetragen ist. Man könnte denken, dass es sich insofern um einen sehr alten Koran handelt, aber dem ist nicht so: er wurde in Italien im Jahre 2011 gedruckt. Er wiegt 800 Kilogramm und man benötigt vier Leute zum Umblättern. Alle Seiten müssen regelmäßig umgeblättert werden, damit sie nach einiger Zeit nicht aneinander kleben bleiben.

DSC02580Man kann leicht sagen, dass diese Region große Projekte wie Swijaschsk beziehungsweise Bolghar beheimatet hat und es heute immer noch tut. Heute gibt es in der Gegend jedoch eine neue Tendenz, und zwar zur Innovation. Hier liegt nämlich die Innopolis-IT-Stadt. Der Bau der „High-Tech-Stadt“ begann vor dreieinhalb Jahren in 2012, aber diese ist bereits das russische Silicon Valley. Vollständig erbaut und in Betrieb sind der „Technopark“ (das runde Gebäude), die Universität mit Studentenwohnheim, der Wohnblock, Kindergarten, Schulen, Straßen (mit Unterführungen für Fußgänger) usw. Dieser Ort ist sehr cool und hat eine extrem positive Atmosphäre.

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Technopark:

Erste Mieter:

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Hier werden weitere Wohnhäuser gebaut:

DSC02669Auf den Bildern unten: die Uni. Viele Professoren sind „importiert“ und halten ihre Vorlesungen auf Englisch. Meine Vorlesung war jedoch auf Russisch. Ich halte zwar weltweit Vorträge auf Englisch, aber da es sich um ein russischsprachiges Publikum handelte, machte das hier nicht viel Sinn.

Hier sind die Wohnheime. Meine Güte. Was für ein Fortschritt!

Allgemein ein sehr ermutigender, vielversprechender und beruhigender Ort. Sehr eindrucksvoll. Ich bin mit vielen Impressionen abgereist…

Danke an unsere wundervollen Gastgeber für die Einladung und dafür, uns alles zu zeigen.

Gleichzeitig hatte ich in Tatarstan auch einen Einblick in die Industrieanlage. Ich tue das gerne – wobei ich bisher hydroelektrische Anlagen und Aluminiumfabriken u.Ä. besichtigt habe. Jetzt kann ich auch eine Polyäthylen-Fabrik auf meine Liste schreiben – Kazanorgsintez :).

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Dieser massive, weite Industriestandort lief auf Hochtouren, als wir ankamen. Rauch, Zischen, Poltern, Gestank. Es gibt sieben volle Produktionsanlagen hier, die alle in einem großen Technik- und Logistikpark vereint wurden.

Die Lagerhalle:

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ICS hier und überall. Nur die Straße hoch!

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Das war ein toller Ausflug! Die drei Stunden vergingen wie im Flug.

Von Tatarstan aus flog ich direkt nach London für eine Nacht, um Geschäfte zu erledigen. Ich blieb im Ham Yard Hotel – eines meiner Favoriten. Dieses Mal befand ich mich in einem Raum, der mehr wie eine Bibliothek aussah. Alle Bücher waren echt und bestanden aus Seiten mit gedruckten Wörtern. Die Buchdeckel waren jedoch sowohl hinten als auch vorne leer. Es war das erste Mal, dass ich so etwas sah. Wofür? Damit niemand sie stehlen würde?

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Hier ist wieder die Hypnoseuhr. Aber dieses Mal hat sie einen Fehler. Können Sie ihn finden?

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Weitere Kuriositäten … auf dem Fahrstuhl gibt es ein Bild mit Hunden. Können Sie die Katze finden?

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Und hier an der Bar. Können Sie den Kwass finden?

post-29-0-90375400-1454889007Ich habe nichts davon gefunden. Wie sieht es bei Ihnen aus? So verliere ich mich in der Rauchwolke, Leute. Bald mehr aus…

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