Cybersicherheit: Wie alles begann – Teil 5: Der Wendepunkt im Jahr 1996

Es geht weiter mit unserer KL-Geschichte! Eine Geschichte, die erzählt, wie wir als bescheidenes Unternehmen, das wir damals waren, zu dem geworden sind, was wir heute sind. Und diese Cybergeschichte verdanken wir dem Lockdown! Sonst hätte ich nie die Zeit zum Erinnern gehabt!

Nur für den Fall, dass Sie die vorherigen Teile verpasst haben:

Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4

In Ordnung. Teil 5: 1996. Wahrlich ein schicksalhaftes Jahr, ein Wendepunkt…

Als erstes beschlossen die Eigentümer von KAMI, mein damaliger Arbeitgeber, das Unternehmen zu verlassen. Infolgedessen wurde KAMI in mehrere unabhängige Organisationen aufgeteilt. Und im folgenden Jahr – 1997 – trennten auch wir uns.

Zweitens unterzeichneten wir einen OEM-Vertrag mit der deutschen Firma G-Data, um sie mit unserer Antivirus-Engine zu beliefern. Dieser Vertrag lief 12 Jahre lang (bis 2008!), als wir die Nummer 1 auf dem deutschen Einzelhandelsmarkt wurden. Genau so lief es ab. Unsere ursprünglichen technischen Fähigkeiten waren nicht zu stoppen! Aber was sollten wir tun? Jedenfalls war es G-Data, die auf uns zu kamen (wir waren damals nicht in der Lage, aktiv nach Technologie-Partnern zu suchen) und Remizov, dem damaligen Chef von KAMI, eine Zusammenarbeit anbot. Wie im Teil 4 schon beschrieben, unterzeichneten wir den Vertrag auf der CeBIT. Und so kam unser Technologie-Lizenzgeschäft in Schwung.

Nach den Deutschen (1995) kamen die Finnen – F-Secure (1996), damals bekannt als Data Fellows. Ich möchte Ihnen erzählen, wie unsere Zusammenarbeit mit ihnen begann.

Im August 1995 erschien der allererste Makrovirus, der Microsoft Word-Dokumente infizierte. Es stellte sich heraus, dass das Schreiben von Makroviren sehr einfach war, und sie verbreiteten sich mit alarmierender Geschwindigkeit unter sehr vielen ahnungslosen Benutzern. Dies erregte die Aufmerksamkeit anderer Virenautoren, und sehr schnell wurden Makroviren zum größten Problem für die Antivirenbranche. Sie zu erkennen war alles andere als einfach, da das Format eines Word-Dokuments sehr komplex ist (wer wusste das schon?:). So spielten AV-Firmen mehrere Monate lang mit verschiedenen Methoden, bis Anfang 1996 McAfee (die Firma:) die „richtige“ Zerlegungsmethode für das Format von Word-Dokumenten verkündete. Diese Nachricht wurde von unserem Kollegen Andrej Krukow (der 1995 unserem Kollektiv beigetreten war) aufgegriffen, und er fand schnell eine äußerst elegante und effektive technische Lösung. Nachdem ich sie bekannt gab, kamen schon ziemlich bald Unternehmen mit Angeboten zum Kauf unserer Technologie auf uns zu. Nachdem wir mehrere solcher Angebote eingeholt hatten, arrangierten wir ein Treffen mit ihnen allen auf der bevorstehenden Virus Bulletin-Konferenz in Brighton, Großbritannien, zu der Andrey und ich im Herbst 1996 reisten.

In Brighton liefen die Dinge kaum nach Plan: Keines dieser Treffen hat je zu etwas geführt! Aber…

Wir hatten ein sehr interessantes Gespräch mit Command Software – ich erinnere mich, dass wir in einer sehr schick eingerichteten Präsidentensuite eines Hotels waren, das sie für Meetings gebucht hatten. Diese Firma hatte seit langem die AV-Engine der Firma F-Prot lizenziert. Aber schon seit einigen Jahren waren die Entwickler von F-Prot nicht mehr in der Lage gewesen, eine neue Engine zu entwickeln, und ihre Partner waren höchst unzufrieden und suchten nach Alternativen (ein wenig wie bei Apple und Intel).

Nun luden die guten Leute von Command Software Andrey und mich in die USA ein, damit wir anfangen konnten, für sie zu arbeiten. Ich erinnere mich mit allen möglichen saftigen Verlockungen, wie Häuser, Autos und fetten Gehältern! Wir lehnten jedoch ab und sagten, wir würden über das Angebot nachdenken, aber wir hätten nicht vor, Moskau in nächster Zeit zu verlassen. Und das war alles. Natürlich war es sehr schmeichelhaft, in den Staaten so viel gutes Zeug angeboten zu bekommen, und als wir das schicke Hotelzimmer verließen und durch die Lobby gingen, grinsten wir wie Honigkuchenpferde! Und es war in dieser Lobby, wo die Kompanen von Data Fellows unser Grinsen bemerkten. Wir hielten für einen Plausch an. Und um es kurz zu halten: zwei Monate später reiste Natalya Kaspersky nach Helsinki, um die Bedingungen der Zusammenarbeit zu besprechen, und bald darauf unterzeichneten wir mit ihnen einen Vertrag. Sieh an, sieh an. Wie schnell sich doch das Blatt wendete!

Der Vertrag mit den Data Fellows war… reine technologische Sklaverei! Er verweigerte uns u.a. das Recht, Internetlösungen und Managementsysteme für Unternehmenslösungen zu entwickeln, und darüber hinaus war es ein Exklusivvertrag, d.h. wir hatten nicht das Recht, unsere Engine an jemanden außer Data Fellows (und G-Data, aufgrund des laufenden Vertrags) zu lizenzieren. Warten Sie – da ist noch mehr. Die Finnen hatten alle Rechte an unseren Technologien und dem Quellcode! Der Vertrag war in der Tat erdrückend. Wir hatten jedoch keine andere Wahl. Denn ohne das Geld, das wir damit verdienen würden, hätten wir einfach nicht überlebt. Also unterzeichneten wir ihn. Und das war auch gut so, denn Data Fellows war unsere Haupteinnahmequelle für die nächsten Jahre. Wir kamen gerade so über die Runden. Doch mit der Zeit wurden die Vertragseinschränkungen eine nach der anderen aufgehoben. Zuerst das Verbot unserer Entwicklungsprodukte, dann das Exklusivitätsrecht. Erst im Sommer 2006 befreiten wir uns schließlich vollständig von allen unseren Verpflichtungen, fast 10 Jahre nachdem wir sie unterzeichnet hatten.

Drittens (um zurück zu den wegweisenden Ereignissen des Jahres 1996 zurückzukommen) begannen wir schließlich mit der Entwicklung eines eigenen Produkts für Windows 95. Die Entwicklung hätte zwei Jahre früher anfangen sollen, aber [*hust*] alle unsere Entwickler waren mit anderen Dingen beschäftigt! Alexey ‚the Count‘ (dt. der Graf) De Mont De Rique war mit der Lösung für MS-DOS beschäftigt. Andrej Tichonow war mit der Lösung für Novell NetWare beschäftigt, und Larissa Gruzdeva war noch mit einer Version für Windows 3.xx beschäftigt. Es gab einfach physisch niemanden, der an der Entwicklung eines Produkts für das vielversprechendste Betriebssystem der Welt arbeiten konnte! Rückblickend und im Nachhinein betrachtet, war das einfach verrückt…

Sobald die Entwicklung einer Windows-Version begonnen hat, kommen wir zu dem vierten wegweisenden Ereignis…

Auf der Moskauer Comtek-Ausstellung im Herbst 1996 näherte ich mich dem Stand der damaligen Monopol-Antivirusfirma in Russland, einer Firma namens Dialog Science, und fragte sie nach ihren neuesten Produkten. Man schaute mich von oben bis unten an, und von ihrem (für damalige Verhältnisse) schicken Stand aus erfuhr ich, wie gut doch alte MS-DOS-Programme unter Windows gut funktionieren. Darauf antwortete ich: ~“Ich werde euch alle auffressen!“ Sie lächelten lediglich und dachten wahrscheinlich: „Ja, richtig“ ).

Und vor allem, fünftens

Wir begannen und schlossen mit der Entwicklung einer neuen Antiviren-Engine (AVP3) ab, die ein volles Jahrzehnt lang in Millionen von Kopien unserer Produkte auf der ganzen Welt und auch in den Produkten unserer Technologiepartner nahezu unverändert zum Einsatz kommen sollte. Erst im Frühjahr 2008 haben wir begonnen, sie durch unsere neue Engine (KLAVA) zu ersetzen – zunächst in unseren Heimprodukten und später, Anfang 2009, in unseren wichtigsten Unternehmensprodukten.

Die wichtigste Neuerung mit AVP3 war die plattformübergreifende Technologie, d.h., dass dieselbe Engine mit denselben Datenbanken auf jeder Intel-basierten Plattform funktioniert. Bisher war es eine Engine pro Plattform: jede brauchte ihre eigene, die portiert werden musste; aber – schlimmer noch – jede Datenbank musste auch portiert werden (da sie den ausführbaren Code enthielten). Unsere neue Engine verhinderte die gesamte Duplikation. Ein Game-Changer!

Darüber hinaus verfügte die Engine über ein eigenes Modul (zum Teil, um die Lizenzvergabe an Partner). Als Ergebnis hatten wir eine universelle, plattformübergreifende Engine und universelle, plattformübergreifende Datenbanken. Man konnte sie zur Herstellung eines eigenen Antivirusprogramms verwenden (was die Firmen auch taten). Dies bedeutete einen Ruck nicht nur für die weitere Entwicklung des OEM-Geschäfts der Firma, sondern auch für die Entwicklung eigener Produkte, da die Hauptkomponenten (Motor + Datenbanken) maximal „abgestimmt“ waren, um in verschiedene Produkte für verschiedene Plattformen eingebettet zu werden, d.h. DOS16/32, Windows, Novell, Linux, OS/2, Unix und andere.

Sechstens

Noch wichtiger war die Einführung unserer Produkte für Windows 95. Wann genau die offizielle „Markteinführung“ stattfand, lässt sich nur schwer feststellen: Zwischen Herbst 1996 und Sommer 1997 gab es zahlreiche öffentliche Beta-Versionen – waren das „Produkte“? Wahrscheinlich wurden sie erst in den frühen 2000er Jahren zu vollwertigen (Nicht-Beta-)Versionen. Der erste Beta-Prototyp wurde am 16. September 1996 der Öffentlichkeit vorgestellt und hieß AVP for Win95 3.0, Build 105. Und basierend auf dem Quellcode davon wurde eine DOS-Version kompiliert, so dass es wahrscheinlich im September 1996 war, als 3.0 vorgestellt wurde.

Und zum Schluss Nummer Sieben:

Im November 1996 starteten wir schließlich unsere Website, eine der Versionen davon finden Sie hier, und das Archiv der Website – hier. Wir haben die Texte selbst geschrieben und auch die Bilder selbst gezeichnet (die meisten Illustrationen sind von mir :).

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